"Kleiner Mann - was nun?": Ohnsorg Theater kann nicht nur komisch
Die kleine Studio-Bühne des niederdeutschen Traditionstheaters Ohnsorg in Hamburg inszeniert Hans Falladas Roman-Klassiker über den finanziellen Abstieg einer jungen Familie virtuos und spannend.
"Nur nicht arbeitslos werden." Immer wieder erklingt das Mantra von der Bühne der kleinen Studio-Bühne des Ohnsorg Theaters. Und dann passiert es doch. Man sieht in den leeren, glasigen Blick vom "kleinen Mann" Johannes Pinneberg. Sein "Lämmchen" erwartet ein Kind. Und das Geld wird immer knapper. Hans Falladas Roman-Klassiker aus den 20er-Jahren über Armut als Alltag und Makel kommt genau zur richtigen Zeit.
Norddeutsche Version von Falladas "Kleiner Mann - was nun?"
Die Ohnsorg-Version von "Kleiner Mann - was nun?" verlegt die Handlung nach Hamburg, Lüchow und Cuxhaven. Das Plattdeutsche, von Cornelia Ehlers eingerichtet, ist hier die Sprache der kleinen Leute und fügt sich nahtlos in den Gesamtklang des Stücks ein. Jannik Nowak spielt den "kleinen Mann" Johannes Pinneberg erst mit schelmischem Charme, dann ergreifend verzweifelt. Mit Julia Kemp möchte man dem Zwangs-Optimismus ihrer Emma Mörschel, genannt "Lämmchen", so gern glauben.
Fallada-MEK spielt mehrere Rollen
Rabea Lübbe und Jochen Klüßendorf schlüpfen in ihren grünen Kampfstern-Galactica-artigen Uniformen mit schwarzen Schulterklappen als eine Art Fallada-MEK von jetzt auf gleich in verschiedenste Rollen - Kollegen, Chefs, Vermieterin und Erzähler. Gerade Rabea Lübbe bringt mit ihrem körperlichen und sinnlichen Spiel das Stück in besonderer Weise zum Klingen.
Mit Zigarettenspitze im Mundwinkel ist sie eben noch die leicht verruchte Mutter Pinneberg mit perfekt dosiertem derbem Hamburger Stimmklang und dann der Frauenheld-Kollege mit Hagestolz-Gang. Wunderbar! Weil man im kleinen Ohnsorg-Studio ja praktisch mit auf der Bühne sitzt, sieht man, wie Lübbes virtuose Mimik bis in die kleinste Lachfalte hinein strahlt.
Dichte und spannende Version des Fallada-Romans
Der Regisseurin Ayla Yeginer ist eine dichte, spannende Version des Fallada-Romans gelungen. Das Bühnenbild von Telse Hand zeigt eine lange Holzwand mit Treppen und Kästen: Hier ziehen die Pinnebergs von Keller, zu Kemenate, zu Behausung - immer zu klein, immer beengt. Die realistischen Kostüme der Pinnebergs spiegeln den Alltag der 20er-Jahre. Sie stehen im starken Kontrast zu den skurrilen Perücken und Auftritten der anderen Figuren.
Die Stimme von Pinnebergs Chef kommt bisweilen aus einem Kassettenrekorder. Diese Verfremdungseffekte unterstreichen, wie isoliert die armen, jungen Leute in dieser lebensfeindlichen Welt sind. Während Johannes und Lämmchen immer authentisch bleiben, sind alle anderen Rollen skurril überzeichnet - Karikaturen einer überforderten, übergriffigen Gesellschaft.
Ohnsorg kann auch ernst
Dieses Ensemble zeigt die Tragik und Traurigkeit mit allen skurrilen und auch komischen Momenten in kräftigen Farben und macht aus dem Klassiker einen zeitlosen und aktuellen Stoff. Dieser Abend beweist wieder einmal: Ohnsorg kann nicht nur komisch. Dieses Traditionstheater bringt auch ernste Stücke virtuos und spannend auf die Bühne.
"Kleiner Mann - was nun?": Ohnsorg Theater kann nicht nur komisch
Hans Falladas Roman-Klassiker hat am Ohnsorg Theater Premiere gefeiert. Ein Abend voller Tragik - und voller skurriler Momente.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ort:
-
Ohnsorg Theater
Heidi-Kabel-Platz 1
20099 Hamburg
- Hinweis:
- Am Ohnsorg-Theater gilt FFP2-Maskenpflicht für alle Vorstellungen.