"Dat Frollein Wunner": Ein Muss für Musicalfans in Hamburg
Das Ohnsorg-Theater in Hamburg bringt eine musikalische Nachkriegs-Komödie mit ganz viel Swing-Musik auf die Bühne und überzeugt mit Tempo, Tanz und tollem mehrstimmigen Gesang.
Hamburg im Nachkriegsdeutschland. In einer Welt, in der aus dem Krieg zurückkehrende Ehemänner wieder in ihren alten Berufen tätig werden, sollen ihre Frauen, die lange Zeit als Maurermeisterinnen, Schafnerinnen, Glaserinnen und Lehrerinnen allein "den Laden am Laufen hielten", wieder in ihre alten Rollenmuster als treusorgende Ehefrau "am heimischen Herd" zurückfinden. Rosa (Nele Larsen), die lange Zeit als Aushilfslehrerin britischen Besatzungssoldaten deutsch beibrachte, will diesen Schritt nicht mitgehen. Wie viele andere Frauen ihrer Generation träumt auch sie von einer besseren und selbstbestimmten Zukunft.
"Dat Frollein Wunner": "Wi köönt dat schaffen... Wiest wi dat de Keerls!"
Frei nach dem Motto "Wiest wi dat de Keerls!" ("Zeigen wir's den Männern!") beschließt Rosa, ein Damen-Gesangs-Trio zu gründen, mit dem sie an einem Musikwettbewerb teilnehmen will. Der Preis: eine Tournee mit einem Auftaktkonzert im Buckingham-Palace - in Anwesenheit der Queen.

Bei dem von ihr initiierten Vorsingen trifft Rosa auf Käthe (Caroline Kiesewetter), eine Schneiderin mit Opern-Ausbildung, und Hilde, eine norddeutsche Milch-Bäuerin mit Jodeltalent. Die drei beginnen zu proben. Schnell jedoch stellt sich heraus, dass ausgerechnet Rosa gar nicht richtig singen kann. Um dennoch den Traum von einem besseren Leben nicht aufgeben zu müssen, finden die drei sangeskräftigen Ersatz: Sie überreden den mit einer weiblich anmutenden Männerstimme gesegneten Priester William Abernathy (Cem Lukas Yeginer) dazu, in Frauenkleider zu schlüpfen und bei dem anstehenden Wettbewerb mitzumachen. Ein Schwindel, der nicht auffliegen darf - ist das Gesangs-Trio, das sich "Das Beste am Norden" nennt, doch als Damen-Gesangsgruppe angekündigt.
Stimmige Story - heiße Hits im Stile der Andrew-Sisters
Eingebettet in eine hinreißende Story, die brüllend-komische Momente genauso kennt, wie rührend-melancholische, intoniert das Ohnsorg-Ensemble mit voller Hingabe große Hits der Swing-Ära: Englische Songs im Stile der Andrew-Sisters wie "Sing, Sing, Sing" und "Tico Tico" sind ebenso dabei wie der Marika Röck-Klassiker "Ich brauche keine Millionen" und eine hochdeutsche Fassung des Irving Berlin-Evergreens "Cheek To Cheek".
Dazu gesellen sich hitverdächtige plattdeutsche Songs, wie die neu komponierte Hamburg-Hymne "Wenn de Sünn schient över miene Stadt", dessen Text von Oberspielleiter Murat Yeginer geschrieben wurde, und das Lied "Timpete", das von dem Märchen "Der Fischer und seine Frau" erzählt und im Original von dem Schauspieler und Sänger Axel Prahl stammt.
Hitverdächtiges Ensemble am Ohnsorg-Theater Hamburg
Das "Dat Frollein Wunner"-Ensemble an diesem Abend zu sehen und zu hören, ist eine wahre Freude. Nele Larssen als ehemalige Aushilfslehrerin Rosa überzeugt mit Star-Appeal, grandioser Stimme und einem preisverdächtigen Augenaufschlag. Caroline Kiesewetter, mit unvergleichlichem Timbre auch sonst gesanglich ganz im Jazz zuhause, wandelt sich schauspielerisch gekonnt von eine wunderbar-steifen Möchtegern-Gräfin zur Swing-Ikone - während Tanja Bahmani als jodelnde Milchbäuerin einmal mehr neben ihrer komödiantischen Gabe auch ihre gesangliche Wandelbarkeit unter Beweis stellt.

Vor allem bei dem teils auf jiddisch gesungenen Klassiker "Bei mir bist Du schejn" zeigt sie all ihre Facetten: von der zart-einfühlsamen Einleitung bis hin zum stimmgewaltigen Refrain. Cem Lukas Yeginer gibt ganz nach "Charleys Tante"-Manier einen Priester, der in Frauenkleider schlüpft. Die Gefahr, dabei zu sehr ins Klamaukige abzudriften, umspielt der 29-jährige ehemalige Schauspieler des Staatstheaters Nürnberg gekonnt.
Überraschend vor allem auch seine hohe Tonlage beim Singen, mit der er tatsächlich die Grenzen zwischen Mann und Frau verschwimmen lässt und mit der er sich wunderbar in den mehrstimmigen Gesang seiner Gesangspartnerinnen einreiht. Als frauenlüsternder britischer Captain John McGintley, der auch als Swing-Sänger Erfolge verbuchen kann, steht Markus Gillich seinen Mann. Singend und spielend erweist er sich einmal mehr als Glücksgriff und unverzichtbarer Teil des festen Ohnsorg-Ensembles. Recht klein geraten ist demgegenüber die Rolle Till Husters als Käthes Ehemann Karl Bruhns. Gern hätte man mehr von diesem wunderbaren Ohnsorg-Schauspieler gesehen und gehört.
Bühnenbildkontraste: Schäbiges Klassenzimmer, glitzernder Ballroom
Das Bühnenbild kommt im Vergleich zu anderen Ohnsorg-Produktionen recht schlicht daher. Es ist ein runtergekommener Klassenraum, in dem der Putz schon von der Decke bröckelt. Er dient der jungen Gesangsgruppe als Probenraum. Szenenwechsel gibt es in der ersten Hälfte keine. Muss es auch nicht, denn genau diese Schlichtheit gibt den SchauspielerInnen das, was sie für ihre Rollen brauchen: einen Raum, in dem sie glänzen können.
Umso überaschender gestaltet sich dann der Szenenwechsel in der zweiten Hälfte des Stückes: der hochgezogene Vorhang im Hintergrund lüftet sich und gibt die an diesem Abend perfekt aufspielende vierköpfige Band um Stefan Hiller (Leitung und Klavier), Ulrich Krön (Saxophon und Klarinette), Andreas Zuckowski (Gitarre) und Lars Hansen (Kontrabass) frei. Die Ohnsorg-Bühne wandelt sich so zum glitzernden Ballroom. Ein toller Moment, in dem auch die liebevoll von Stefanie Kniesbeck geschneiderten Kostüme der DarstellerInnen noch einmal besonders zur Geltung kommen!
"Dat Frollein Wunner" - ein dreifacher Coup
Ohnsorg-Oberspielleiter Murat Yeginer ist mit "Dat Frollein Wunner" ein gleich dreifacher Coup gelungen: Die von ihm geschriebene Geschichte überzeugt mit viel Hamburg-Flair und einer grandiosen Mischung aus brüllendem Witz und rührseligem Tiefgang. Wunderbar zudem Yeginers Wahl der SchauspielerInnen, denen er die Rollen geradezu auf den Leib geschneidert hat.
Nicht zuletzt sei auch die tolle Regieleistung des Ohnsorg-Oberspielleiters herausgehoben. Unterstützt durch die großartige Arbeit der Choreographin Larissa Potapov ist ihm ein Abend gelungen, der nicht nur tempo-, sondern auch überaus pointen- und abwechslungsreich ist.
"Dat Frollein Wunner" wird so gleichermaßen zu einem echten Muss für Musicalfans wie für Freunde des modernen Volkstheaters. Unbedingt anschauen!
"Dat Frollein Wunner": Ein Muss für Musicalfans in Hamburg
Die Nachkriegskomödie am Ohnsorg-Theater um Frauen in Hamburg begeistert mit Tempo, Tanz und tollem mehrstimmigen Gesang.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ort:
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Ohnsorg Theater
Heidi-Kabel-Platz 1
20099 Hamburg
