Personalnot: Ganztagsbetreuung in Gefahr?
Vom Schuljahr 2026/27 an sollen Schulkinder die Möglichkeit für eine Ganztagsbetreuung bekommen. Tausende Plätze müssen dafür in den Ländern geschaffen werden. Doch woher sollen die Erzieher kommen?
Daniela Badke aus Garbsen steht vor einer schwierigen Situation: Ihr Sohn wird im Sommer eingeschult, doch sie hat keinen Platz für die Betreuung nach der Schule. Der Hort, in dem sie ihn ursprünglich anmelden wollte, wird aufgrund von Personalengpässen geschlossen - ein Problem, das viele Eltern im Ort betrifft.
"Wir sind jetzt alle am Bangen, was passiert. Und wie geht das hier weiter mit den Kindern, mit den Eltern, mit den Arbeitsstellen?", sagt Badke. Sie selbst arbeitet von 8 bis 15 Uhr, ist also auf Betreuung nach Schulschluss um 13 Uhr angewiesen. Ein zweiter Hort an der zukünftigen Grundschule ihres Sohnes soll nur elf freie Plätze haben - auf die Plätze beworben haben sich aber wohl mehr als 60 Familien.
Ganztagsbetreuung ab 2026 zunächst für alle Erstklässler
Sie habe sich die Schließung des Hortes nicht leicht gemacht, erzählt die Geschäftsführerin Kerstin Jennrich: "Wir mussten den Hort schließen aufgrund von Personalnot." Denn schon heute ist der Personalengpass massiv. Und vieles spricht dafür, dass sich die Situation noch verschärfen wird: Ab 2026 gibt es nämlich einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung und die Zahl der zu betreuenden Kinder wird zunehmen.
Denn der Bund hatte entschieden, dass Kinder ab Sommer 2026 eine Ganztagsbetreuung bekommen. 40 Stunden in der Woche sollen zunächst alle Erstklässler betreut sein. Das soll nicht nur die Bildungschancen der Kinder erhöhen, sondern auch Eltern ermöglichen, Arbeit und Familie besser miteinander vereinbaren zu können. Doch Bildung ist Ländersache. Jedes Bundesland entscheidet selbst, wie und in welcher Form die Betreuung zukünftig organisiert wird. Und so ringen vielerorts Kommunen und Schulen um die Einführung der Ganztagsbetreuung.
"Flickenteppich" der Verantwortlichkeiten
Der Bildungswissenschaftler Dirk Zorn von der Bertelsmann Stiftung ist Experte für Ganztagsschulen. Es gebe große Unterschiede bei der Frage, wer vor Ort die organisatorische Verantwortung trage. "Es ist ein, wenn man so will, typischer Auswuchs des deutschen Föderalismus, ein klassischer Flickenteppich." Und selbst innerhalb einzelner Bundesländer gebe es schon Unterschiede.
Lars Meyer ist pädagogischer Leiter an einer Grundschule in Schleswig-Holstein. Hier sind schon heute etwa 80 Prozent in der Nachmittagsbetreuung. Obwohl sie hier schon ein funktionierendes System und ein pädagogisches Konzept für den Nachmittag haben, könnte der geplante Rechtsanspruch zur Herausforderung mit Blick auf Räume und Personal führen, sagt Meyer.
Er engagiert sich auch im Ganztagsschulverband, ist der Landesvorsitzende für Schleswig-Holstein. Er weiß: Dort, wo es bisher keine Strukturen für Ganztagsbetreuung gibt, sind die Sorgen noch viel größer. Mangel an Räumen, Geld und Personal aber würde die Qualität der Betreuung massiv beeinflussen: "Das würde für die Kinder bedeuten, dass wir hier nicht mehr von einer Betreuung sprechen, sondern wirklich von einer Aufbewahrung. Das würde bedeuten, dass ein Erzieher, eine Erzieherin für unheimlich viele Kinder zuständig ist. Und da kann man keine Angebote machen."
Regierungsbericht: Tausende neuer Plätze benötigt
In einem Bericht der Bundesregierung wird unter anderem erfasst, wie viele Plätze in den jeweiligen Bundesländern bis zum Eintritt des Rechtsanspruchs im Sommer 2026 zusätzlich benötigt werden. In Hamburg sind schon heute fast alle Grundschüler und Grundschülerinnen in Ganztagsbetreuung. Laut Bericht ein Sonderfall. Hier werden noch etwa 3.000 Plätze benötigt, ein Zuwachs von 4,4 Prozent.
Auch in Ostdeutschland gibt es laut Studie bereits eine besser ausgebildete Ganztagsstruktur. Mecklenburg-Vorpommern braucht daher 1.000 zusätzliche Plätze (+3 Prozent), wenn der Elternbedarf konstant bleibt. Sollte der Elternbedarf steigen, wären es 5.000 Plätze (+10,7 Prozent).
In Schleswig-Holstein sind es 8.000 zusätzliche Plätze (+17,4 Prozent) und bei einem steigenden Bedarf sogar bis zu 12.000 Plätze (+27,1 Prozent). Auch in Niedersachsen ist der Bedarf hoch: Hier werden zwischen 22.000 und 38.000 zusätzliche Plätze benötigt. Das entspricht einem prozentualem Zuwachs von 13,8 bis 23 Prozent. Bremen muss noch 3.000 bis 5.000 zusätzliche Plätze schaffen (20,6 - 30,6 Prozent).
Auf Anfrage teilen die zuständigen Ministerien der Länder mit, man werde die Plätze rechtzeitig zur Verfügung stellen. Ob dies tatsächlich gelingt und vor allem die Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Betreuung geschaffen werden können, ist noch offen.
Daniela hat mittlerweile eine Absage erhalten – sie bekommt keinen der elf freien Hortplätze für ihren Sohn. Sie will nun versuchen, sich mit anderen Eltern zusammen zu schließen, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.
