Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg liegt am Boden. © IMAGO / Sports Press Photo

Pokal-Hit gegen Bayern - Letzte Titelchance für VfL-Frauen

Stand: 04.04.2021 09:40 Uhr

"Der kürzeste Weg, der realistischste Titel in diesem Jahr ist der DFB-Pokal. Wir haben das Halbfinale gegen Bayern vor der Brust, danach käme schon das Finale", sagte Wolfsburgs Sportlicher Leiter Ralf Kellermann dem NDR. Heute (14 Uhr, live im Ersten und im NDR Livecenter) empfängt das Team um Kapitänin Alexandra Popp den Bundesliga-Spitzenreiter. Verlieren die VfL-Frauen nach dem Champions-League-Viertelfinale gegen Chelsea auch das nächste Topspiel, stehen sie nach der Saison wohl mit leeren Händen da. Denn in der Bundesliga hat Wolfsburg fünf Spieltage vor Schluss fünf Punkte Rückstand auf die Münchnerinnen, die noch keinen Punkt abgegeben haben und den VfL mit 4:1 geschlagen haben.

"Wir sind uns durchaus bewusst, dass wir bei so einem 50:50-Spiel, wenn wir unsere Tugenden in die Waagschale werfen, den FC Bayern als erste Mannschaft in diesem Jahr schlagen werden." Ralf Kellermann

"Kriegen keine Spielerinnen mehr aus dem obersten Regal"

Eine Entwicklung, die laut Kellermann nicht überraschend kommt. Wolfsburg duelliert sich auf nationaler Ebene nur noch mit dem FC Bayern - und das ist zu wenig, um international bestehen zu können. Das Niveau der Bundesliga sei insgesamt etwas gesunken. Nicht allein weil Topspielerinnen wie Pernille Harder, Melanie Leupolz (beide Chelsea) oder Sara Däbritz (Paris Saint-Germain) ins Ausland gewechselt sind, sondern weil inzwischen Dutzende ehemalige Bundesliga-Spielerinnen ihr Glück in England, Frankreich oder Spanien suchen.

Selbst ein Club wie Wolfsburg, der über Jahre die Entwicklung im europäischen Frauenfußball mitbestimmt hat, könne nicht mehr mitbieten, wenn eine Topspielerin die Wahl zwischen Vereinen mit einer Strahlkraft wie Real Madrid, FC Barcelona oder Manchester United habe. "Wir kriegen keine Spielerinnen mehr aus dem obersten Regal", sagte Kellermann, der bereits das Szenario an die Wand malt, dass Wolfsburg im internationalen Vergleich künftig nur noch ein "Ausbildungsverein auf sehr, sehr hohem Niveau" sein könnte.

"Extremer Umbruch" im Sommer

Tatsächlich steht beim VfL im Sommer ein laut Kellermann "extremer Umbruch" an. Wolfsburg stellt nach dem lange angekündigten Abgang von Stephan Lerch nicht nur das Trainerteam um den neuen Chefcoach Tommy Stroot fast komplett neu auf, sondern verliert auch Spielerinnen, die die Erfolgsjahre geprägt haben. Lena Goeßling bekommt keinen neuen Vertrag, Zsanett Jakabfi und Lara Dickenmann beenden ihre Karriere. Ingrid Syrstad Engen und Fridolina Rolfö zieht es wohl wieder ins Ausland.

Um Popp, Torhüterin Almuth Schult, Supertalent Lena Oberdorf und Topstürmerin Ewa Pajor soll sich ein Puzzle um zumeist junge, international noch nicht bekannte Fußballerinnen zusammenfügen. Spielerinnen wie Lena Lattwein, Tabea Waßmuth oder Joelle Smits und Lynn Wilms aus den Niederlanden haben noch keine großen Namen, gehören aber zu einer Generation aufstrebender Nationalspielerinnen, die sich entwickeln können. Schließlich, so Kellermann, war "Pernille Harder auch noch nicht auf dem Niveau Europas Fußballerin des Jahres, als sie zu uns gekommen ist".

Wechselbörse VfL Wolfsburg (Frauen)

ABGÄNGE:
Trainerteam: Stephan Lerch, Ariane Hingst, Donna Newberry, Theresa Merk (alle unbekannt)
Kader: Lena Goeßling, Ingrid Syrstad Engen, Fridolina Rolfö, Friederike Abt (alle unbekannt), Zsanett Jakabfi, Lara Dickenmann (beide Karriereende)
ZUGÄNGE:
Trainerteam:
Tommy Stroot (Twente Enschede/Cheftrainer), Kim Kulig (Eintracht Frankfurt/Co-Trainerin), Sabrina Eckhoff (Württembergischer Verband/Co-Trainerin), Gerhard Waldhart (U18 St. Pölten/Analyst)
Kader: Tabea Waßmuth, Lena Lattwein (beide TSG Hoffenheim), Sandra Starke (SC Freiburg), Joelle Smits (PSV Eindhoven), Lynn Wilms (Twente Enschede)

Kellermann: Champions-League-Titel unrealistisch

Der Gesamtverein trage den eingeschlagenen Weg mit, sagt Kellermann. Denn man müsse damit rechnen, dass es ein paar Monate, vielleicht auch ein Jahr dauere, bis sich das Team gefunden habe. "Der Weg, den wir im Sommer gehen, ist alternativlos", betonte der Sportchef. "Wir können nicht jedes Jahr die besten Spielerinnen abgegeben und vom Champions-League-Titel reden, das ist unrealistisch." Eine gute Rolle im Konzert der Großen könne der VfL jedoch immer noch spielen.

Oberdorf beim Pokal-Hit wieder mit dabei

Die erste Möglichkeit dafür bietet sich nach dem Aus in der "Königsklasse" im Pokal gegen München. Vorteil für die Wolfsburgerinnen: Der FC Bayern war in der Champions League einen Tag nach ihnen gefordert (Halbfinal-Einzug durch 1:0 beim FC Rosengard), hat also weniger Zeit zum Regenerieren. Und in Lena Oberdorf kehrt nach ihrer Gelbsperre eine ganz wichtige Spielerin ins Team zurück.

"Der Frauenfußball ist im deutschen Fußball bisher im Grunde ein Stiefkind. Und es ist höchste Zeit, sich so darum zu kümmern, wie er es verdient. Wir müssen den Frauenfußball nachhaltiger entwickeln, als es in den letzten Jahren beim DFB möglich war." Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge

Die Mannschaft wisse um die Brisanz sagte Lerch, der auf eine "Jetzt-erst-recht-Mentalität" hofft. "Entsprechend fokussiert werden wir das angehen. Es weiß jeder, dass wir den Anspruch haben, jedes Jahr um Titel mitzuspielen." Verpasst der VfL den Einzug ins Finale am 30. Mai in Köln, gibt es im Sommer nicht nur einen großen personellen Umbruch. Es droht dann auch eine Zäsur in der beeindruckenden Erfolgsstory der VfL-Frauen - mit der womöglich ersten titellosen Saison seit 2012 und dem ersten Pokalsieger seit 2014, der nicht VfL Wolfsburg heißt.

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Dieses Thema im Programm:

Sportschau | 04.04.2021 | 14:00 Uhr

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