Oldenburgs Radek Drulak (2.v.r.) lässt Hannovers Michael Schjönberg (r.) aussteigen. © IMAGO /Rust

Als der VfB Oldenburg beinahe in die Bundesliga aufstieg

Stand: 28.02.2021 10:00 Uhr

1992 klopft der VfB Oldenburg ans Tor zur Bundesliga. Erst am letzten Spieltag scheitern die Niedersachsen trotz eines Sieges in Meppen - weil es keine Schützenhilfe vom FC St. Pauli gibt. Aus unserer Serie "(Fast) vergessene Vereine".

von Inka Blumensaat

Schon die Teilnahme an der Aufstiegsrunde der 2. Bundesliga Nord ist eine Überraschung, aber das Team von Trainer Wolfgang Sidka lässt die Favoriten wie Hannover 96, FC St. Pauli und Hertha BSC hinter sich und pirscht sich immer mehr an Spitzenreiter Bayer Uerdingen heran. Am letzten Spieltag muss der VfB beim SV Meppen gewinnen, ist allerdings gleichzeitig auf eine Niederlage Uerdingens am Millerntor angewiesen.

7.000 Oldenburger Fans sind im Emsland dabei, als ihr Club seine Pflichtaufgabe mit Treffern von Carsten Linke und Matthias Jack erfüllt. In Hamburg aber fallen keine Tore, Uerdingen steigt durch das 0:0 auf. "Traurig sind wir die Heimreise nach Oldenburg angetreten. Auf einmal hieß es, dass wir auf den Marktplatz müssen. Ich habe gedacht: 'Wir haben doch nichts erreicht.' Aber der Marktplatz war voller Menschen. Die haben uns gefeiert, als seien wir Meister geworden", erinnert sich der damalige Spieler Edgar Zoller. Gefühlt ist es auch so, denn die Saison 1991/1992 bleibt die Ausnahme-Saison der Oldenburger.

In den Anfangsjahren überwiegend unterklassig

Der Club, dessen Vorläuferverein 1897 gegründet wurde, spielt in den 1950er- und 60er-Jahren - vor der Gründung der Bundesliga - zwar einige Jahre in der Oberliga Nord, der damals höchsten Spielklasse. Doch 1974 misslingt der Sprung in die neu gegründete 2. Bundesliga Nord, erst 1980 bejubeln die Oldenburger den Aufstieg. Die Freude währt aber nur kurz: Der DFB beschließt, die Ligen im Norden und im Süden zu einer eingleisigen Zweiten Liga zu fusionieren. Die Zahl der Vereine wird bedeutend verringert und der VfB ist zurück in der Drittklassigkeit.

Zudem sind in den 1980er-Jahren die finanziellen Sorgen groß, der Unterhalt des geliebten Stadions in Donnerschwee ist teuer, 1987 haben die Schulden die Millionengrenze erreicht. "Das war eine traurige Situation und die haben wir dann versucht, umzudrehen. Man sagt ja immer: 'Wir sehen das Licht am Ende des Tunnel'. Ich hab gesagt, 'Jungs, passt auf, das kann auch eine entgegenkommende Lokomotive sein'", sagt der Ende 1986 neu angetretene Präsident Klaus Berster rückblickend dem NDR Sportclub.

Wendepunkt: Einstieg von Klaus Baumgart

Das Gesangsduo Klaus & Klaus (Klaus Büchner, l. und Klaus Baumgart) © IMAGO / Horst Galuschka
Klaus Baumgart (r.) und Klaus Büchner als Gesangsduo "Klaus & Klaus".

Nicht einmal einen Trikotsponsor hat der Oberligist damals. Dann steigt der gebürtige Oldenburger Klaus Baumgart vom Gesangsduo "Klaus und Klaus" als PR-Manager ein. "Ich habe durch persönliche Kontakte einen Deal mit der Firma Asics hingekriegt. Die hatte noch keine Fußballschuhe und wollte in den Markt. Das war lukrativ, wobei die Treter damals noch nicht so prickelnd waren und die Spieler dann mit anderen Schuhen gespielt und das Asics-Zeichen drüber geklebt haben", erzählt Baumgart.

Der spätere 2. Vorsitzende sorgt im Februar 1989 auch für einen sportlichen Coup: Der ehemalige Bundesligaprofi Wolfgang Sidka (333 Bundesligaspiele für Hertha BSC, 1860 München und Werder Bremen) unterschreibt in Oldenburg. Eigentlich hatte Sidka seine Spielerkarriere bereits beendet. "Ich habe zwar meinen Trainerschein schon gehabt, war aber total fit, wollte mich nochmal beweisen. Eigentlich in der Bundesliga, aber ich habe mit meiner Familie in Bremen gewohnt, da hat sich Oldenburg angeboten", erinnert sich der heute 66-Jährige.

Mit dem Spielertrainer an die Spitze

Trotz des neuen Liberos bleibt der sportliche Erfolg aus. Im Oktober 1989 wird Trainer Joachim Krug entlassen. Sein Nachfolger: Wolfgang Sidka - als Spielertrainer! Ein Modell, das auch damals in höheren Ligen ungewöhnlich ist. "Es hat Vor- und Nachteile", sagt Sidka. "Einerseits ist man mittendrin und kann sich den sogenannten verlängerten Arm auf dem Platz schenken. Andererseits darf man sich kaum ein schlechtes Spiel erlauben. Einmal habe ich nach 30 Minuten gedacht: 'Was spielst Du heute für einen Mist zusammen?' und habe mich dann zur Pause ausgewechselt."

Von Platz 14 führt Sidka das Team an die Tabellenspitze der Oberliga Nord und in die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga. Favoriten sind Wuppertal und Arminia Bielefeld, nach oben schafft es aber neben dem weiteren Überraschungsteam TSV Havelse der VfB Oldenburg. Im Donnerschwee-Stadion bejubeln bis zu 20.000 Zuschauer den Erfolg der Mannschaft.

Manager Assauer hat ein gutes Händchen

Oldenburgs Radek Drulak (2.v.r.) lässt Hannovers Michael Schjönberg (r.) aussteigen. © IMAGO /Rust
Oldenburgs Stürmer Radek Drulak (2.v.r.) wird 1992 mit 21 Treffern Torschützenkönig der Zweiten Liga Nord.

Mit 2,3 Millionen DM hat der VfB den kleinsten Etat der 2. Liga, aber bald einen prominenten Manager: Rudi Assauer, zuvor bereits in Bremen und bei Schalke 04 tätig, übernimmt das Amt und verstärkt den Kader - wobei insbesondere die Verpflichtungen des 28-maligen DDR-Nationalspielers Wolfgang "Maxe" Steinbach und des tschechoslowakischen Stürmers Radek Drulak für Furore und Erfolg sorgen. Das erste Jahr in der 2. Liga beendet der Club im Mittelfeld. Das letzte Saisonspiel bedeutet zugleich den Abschied vom Stadion Donnerschwee, das Gelände wird an einen Investor verkauft.

Im städtischen Marschweg-Stadion wird der Grundstein für den größten Erfolg der Vereinsgeschichte gelegt: Im Dezember 1991 steht Oldenburg als Teilnehmer der Aufstiegsrunde zur Bundesliga fest. "Tabellenführer Uerdingen hat sechs Punkte Vorsprung. Es wäre zu vermessen zu sagen, dass wir aufsteigen wollen. Aber an uns werden sich noch einige die Zähne ausbeißen", prognostiziert Trainer Sidka damals im Fernsehstudio von Radio Bremen. Keine leeren Worte, wie die Entwicklung zeigt - auch wenn der Bundesliga-Traum platzt.

1992/93: Absturz und Trainerentlassung

Nach dem knapp verpassten Aufstieg gerät der VfB in der Saison 1992/1993 in einen Negativstrudel und rutscht in die Abstiegszone. Nach einer 2:6-Niederlage in Jena wird Sidka im Februar 1993 entlassen. Der Versuch von Präsident Berster, dem Trainer dies mitzuteilen, misslingt, weil Sidka zunächst nicht zuhause und daher telefonisch nicht zu erreichen ist. "Ich kam nach Hause, meine Frau sagte: 'Warum bist Du so gut gelaunt? Weißt Du gar nicht, dass Du entlassen bist?' Und dann habe ich in den Videotext geguckt und habe da von meiner Entlassung gelesen", erzählt Sidka, der viereinhalb Jahre später Trainer von Werder Bremen in der Bundesliga werden sollte.

Den Abstieg 1993 kann auch der neue Trainer Werner Fuchs nicht verhindern. 1996 gelingt mit Hans-Jörg Butt im Tor noch einmal die Rückkehr in die 2. Liga, aber nach nur einer Saison geht es wieder runter. Nach einigen Jahren in der fünftklassigen Oberliga spielt der Club nun seit 2013 in der Regionalliga Nord.

Weitere Informationen
Göttingens Fred Englert (l.) schießt, Essens Roland Peitsch hebt die Hände. © imago images / Werner Otto

Die glanzvollen Zeiten von Göttingen 05

Von 1966 bis 1968 spielte Göttingen 05 dreimal in Folge um den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga. Inzwischen sind die Niedersachsen in die Landesliga abgestürzt. Aus der Serie "(Fast) vergessene Vereine". mehr

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 28.02.2021 | 23:35 Uhr

Mehr Fußball-Meldungen

Ralph Hasenhüttl © IMAGO/Christian Schroedter

Hasenhüttl neu beim VfL Wolfsburg: "Habe wieder Hunger verspürt"

Der VfL präsentierte den Nachfolger von Trainer Niko Kovac am Montag der Öffentlichkeit. Der Österreicher will zeigen, dass mehr in den "Wölfen" steckt. mehr