Die deutschen Blindenfußballerinnen jubeln über den EM-Titel 2022 © Michael Hain

Crowdfunding erfolgreich - Deutsche Blindenfußballerinnen fahren zur WM

Stand: 04.04.2023 15:42 Uhr

Die deutsche Frauennationalmannschaft fährt zur Blindenfußball-WM 2023. Als Europameisterinnen waren sie qualifiziert, doch das Geld fehlte. Mithilfe einer Crowdfunding-Aktion finanzierte sich das Team die Teilnahme.

von Paulo Plautz

Jana Marquart sitzt Ende des Sommers 2018 ganz nah vor dem Bildschirm. Sie ist fast blind, hat einen Sehrest von knapp zwei Prozent. Doch wenn sie ganz dicht rangeht, kann sie das Tor des Monats August aus der ARD-Sportschau erkennen. Geschossen hat es der Blindenfußballer Serdar Celebi vom FC St. Pauli.

"Dadurch habe ich erst mitbekommen, dass es Blindenfußball gibt", erzählt Marquart. Es dauert zwei weitere Jahre, bis sie Ende 2020 die Zeit findet, zu einem Training der Blindenfußballmannschaft von St. Pauli zu gehen. Eine Frauenmannschaft gibt es damals deutschlandweit nicht.

Erfolgsgeschichte mit Hindernissen

Heute ist Jana Marquart Kapitänin des deutschen Frauenteams, das es seit Anfang 2022 gibt. Im Sommer desselben Jahres holte die Auswahl den Titel bei der ersten Europameisterschaft für Blindenfußballerinnen im italienischen Pescara. Zusammen mit Japan belegen die deutschen Frauen Weltranglistenplatz eins.

Ein Senkrechtstart, den die Deutschen fortsetzen wollen: Bei der Blindenfußball-WM für Frauen im August 2023 in Birmingham. Als Europameisterinnen sind sie automatisch qualifiziert - doch die finanziellen Mittel für eine Teilnahme fehlten lange.

Kosten für die Anmeldung betragen 45.000 Euro

Allein die Kosten für die Anmeldung liegen laut Trainer Wolf Schmidt bei 45.000 Euro. "Wir haben erst mit Sportverbänden gesprochen, um die Finanzierung bausteinartig zusammenzubringen", sagt Schmidt. So kommen 25.000 Euro von der Heinz-Kettler-Stiftung, deren Schwerpunkt die Förderung des Behindertensports ist. Auch "Madame Moneypenny", ein Projekt zur Finanzierungshilfe für Frauen, ist Kooperationspartner der deutschen Blindenfußballerinnen.

Um die noch fehlenden 20.000 Euro zusammenzubekommen, riefen die Frauen die Crowdfunding-Kampagne ins Leben. Auf diesem Weg hatte das Team schon im Jahr zuvor die anfallenden Kosten (10.080 Euro) für die Teilnahme an der EM gedeckt.

Mehrfach gibt es prominente Unterstützung

Unerwartetern Beistand gab es nun von Olli Schulz und Jan Böhmermann, die in ihrem Podcast "Fest&Flauschig" auf die Sammel-Aktion aufmerksam machten. Kapitänin Marquart hatte Schulz angeschrieben. "Ich dachte, ich versuch' einfach mal mein Glück", sagt die Blindenfußballerin, die seit vielen Jahren den Podcast hört.

"Daraufhin ist die Crowdfunding-Aktion dann durch die Decke gegangen", berichtet Coach Schmidt. Knapp zwei Wochen nach dem Aufruf im Podcast hatten die Frauen den Betrag von 20.000 Euro zusammen. Doch damit waren nur Teilnahmekosten gedeckt.

Weitere Kosten fallen zum Beispiel für die Ausstattung oder das Trainingslager an. Daher ging der Spendenaufruf in die nächste Runde - erneut mit prominentem Support: dieses Mal von Bjarne Mädel. Gemeinsam mit Marquart wirbt der Schauspieler in einem Instagram-Video für weitere Spenden auf der Crowdfunding-Website.

Dass Sammelaktionen für die Turniere der Frauen überhaupt notwendig sind, liegt an der mangelnden Unterstützung durch die Deutsche Fußball Liga (DFL) und den Deutschen Behindertensportverband (DBS).

Blindenfußball der Frauen steckt im großen Dilemma

"Die Förderstatuten besagen, dass Sportarten gefördert werden, die paralympisch anerkannt sind", erklärt Marquart. Bei den Männern ist Blindenfußball bereits seit 2004 paralympisch, bei den Frauen bis heute allerdings nicht. "Ich glaube, es hat einfach keiner gedacht, dass es irgendwann Frauenmannschaften geben wird, die auch eine Förderung brauchen", so die 30-Jährige.

"Das Interesse ist total groß. Es gibt Leute, die kommen und fragen: "Ey, Blindenfußball, wie funktioniert das?" Das freut mich natürlich." Jana Marquart

Die Blindenfußballerinnen stecken in einem Dilemma. Es brauche erst einmal einen aktiven Wettbewerbsbetrieb auf Länder- und Kontinentalebene, um paralympisch zu werden, erläutert die Marquart: "Aber um diese Infrastruktur überhaupt aufzubauen und in den aktiven Wettkampf zu kommen, muss es natürlich Gelder geben, um an diesen Turnieren teilzunehmen."

Allen Schwierigkeiten zum Trotz hat die deutsche Nationalmannschaft die nötigen Gelder nun zusammen - und die Kapitänin ist sehr erleichtert, dass sie und ihre Mitstreiterinnen eine Sorge weniger haben: "Alle sind unglaublich happy. Wir können uns jetzt auf den Sport konzentrieren. Es ist eine Entlastung zu wissen, dass es Sinn hat, was wir hier machen."

Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 24.03.2023 | 12:15 Uhr

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