"Gurre-Lieder" im Kuppelsaal - Applaus und Kritik
Ein überwältigender Anblick bei der Aufführung der monumentalen "Gurre-Lieder" aus der Feder des längst verstorbenen Komponisten Arnold Schönberg: Die gesamte Empore des Kuppelsaals in Hannover ist voll - mit Sängerinnen und Sängern aus neun hannoverschen Chören. Darunter, auf der Bühne, sitzen die Musiker der NDR Radiophilharmonie gemeinsam mit Studenten der Musikhochschule Hannover - insgesamt mehr als 150 Instrumentalisten.
Metzmacher lässt alte Kontakte "spielen"
Für Ingo Metzmacher, den neuen Intendanten der KunstFestSpiele Herrenhausen, war es ein imposanter Einstieg. Als ehemaliges Mitglied des Knabenchors Hannover und Student der hannoverschen Musikhochschule ließ Metzmacher viele seiner früheren Beziehungen spielen, um all die Musiker und Sänger zusammenzubekommen: "Die Hochschule hatte mich angesprochen und mit der NDR Radiophilharmonie bin ich auch in losem Kontakt gewesen - und dann habe ich einfach mal gefragt, ob die überhaupt frei sind." So habe sich die Möglichkeit einer Kooperation ergeben. "Dann habe ich die Chorleiter aus Hannover, die ich kannte, einmal versammelt und sie gefragt, ob sie bereit wären, bei dem Projekt mitzumachen. Das war ein denkwürdiger Abend, den ich nie vergessen werde." Am Schluss sei es wie bei einer Auktion gewesen, wer wie viele Sänger und Sängerinnen beisteuern könnte.
Hochkomplexe Partitur - "eine ungeheure Herausforderung"
Der österreichische Komponist Arnold Schönberg schrieb zunächst drei Jahre lang an den "Gurre-Liedern", legte sie dann aber erst einmal unfertig zur Seite. Erst nach sieben Jahren Pause vollendete er sie schließlich. Und obwohl er zu dieser Zeit eigentlich eine moderne kompositorische Richtung einschlug, griff Schönberg in den Gurre-Liedern noch ein letztes Mal auf die eigentlich schon überkommene Spätromantik zurück - und steigerte sie bis ins Extreme. "Diese Klangmassen aus Chören, Solisten und riesigem Orchester durch die hochkomplexe Partitur zu manövrieren, ist eine ungeheure Herausforderung", erklärt KunstFestSpiel-Intendant Metzmacher. "Wenn es funktioniert, ist es wunderbar. Wenn man das Gefühl hat, man verliert so ein bisschen die Kontrolle, ist es anstrengend."
Kaum interpretatorischen Freiheiten
Vielleicht erklärt das, weshalb Metzmacher beim Dirigieren im Konzert so sehr auf Nummer sicher ging: Obwohl Schönbergs Musik vor spätromantischem Pathos geradezu überquoll, erlaubte Metzmacher sich und den Musikern kaum irgendwelche interpretatorischen Freiheiten in Tempo und Ausdruck. Kontrolliert war es - aber dadurch auch leider an viel zu vielen Stellen blass und fade.
Gesangssolisten bleiben auf der Strecke
Und noch jemand blieb bei dieser Sicherheitsfassung auf der Strecke: die Gesangssolisten. Insbesondere in der ersten Hälfte war das voluminöse Orchester schlichtweg viel zu laut. Sogar den Bayreuth-erfahrenen Tenor Stephen Gould, der die größte Partie in den "Gurre-Liedern" sang, brachte das mehrfach über die Grenze der stimmlichen Belastung hinaus.
Triumph für Hannover
Mag man den Dirigenten Metzmacher auch kritisch sehen - als Intendant hat er für dieses Konzertereignis den allerhöchsten Respekt verdient. Ein solches Werk wie Schönbergs "Gurre-Lieder" fast ausschließlich mit Musikern aus Hannover zu besetzen, ist ein eindrucksvolles Signal für den wichtigen Stellenwert der KunstFestSpiele Herrenhausen - und ein Triumph für die "UNESCO City of Music" Hannover.
