Internationales Musikfest: Pierre Bleuse & Tamara Stefanovich
Pierre Bleuse, der neue Chef des Ensemble Intercontemporain, dirigiert am 15. und 16. Mai Werke des Jubilars Hans Werner Henze sowie von Charles Ives und Claude Debussy. Am Klavier: Tamara Stefanovich.
Gralshüter der Moderne
Seit der Saison 2023/2024 ist der Franzose Pierre Bleuse Chefdirigent beim Pariser Ensemble Intercontemporain. Als Nachfolger großer Musiker wie Pierre Boulez oder Peter Eötvös ist er damit hauptamtlicher Gralshüter der Moderne. Das NDR Publikum konnte den gelernten Geiger unter anderem schon beim Festival "Elbphilharmonie Visions" 2025 erleben. Nun hat Bleuse im Rahmen des Internationalen Musikfestes Hamburg ein Programm mit Werken des 20. Jahrhunderts zusammengestellt, dessen Generalnenner die Vielschichtigkeit ist.
Collage mit Herzschlag
Die Geschichte des Tristan-Stoffes reicht bis ins Mittelalter zurück. Hans Werner Henze, dessen 100. Geburtstag 2026 gefeiert wird, hat sich dieser Legende in all ihrer Vielschichtigkeit gestellt. Sein "Tristan" ist eine überreiche Collage für Solo-Klavier, Orchester und Tonbänder: Unter anderem Brahms, Chopin, natürlich Wagner, aber auch der Klang eines klopfenden Herzens werden von Henze für seine Beschwörung des Liebes-Mythos herbeizitiert.
Klangpanorama mit Hufschlag
Was hört man, wenn man nachts im dunklen Central Park sitzt? In Charles Ives’ "Central Park in the Dark" von 1906 schieben sich verschiedene Klangschichten, gespielt von räumlich getrennt sitzenden Orchestergruppen, übereinander: Von Ferne tönt Ragtime-Musik herüber, Pferdewagen klappern vorbei, Streicher legen einen nächtlich-weichen Klangteppich aus. Alles zusammen ergibt ein tief gestaffeltes, multiperspektivisches Klangpanorama eines nächtlichen Parkbesuchs.
Triptychon mit Volksliedern
Musikalische Impressionen von England, Spanien und vom Frühling beschwört Claude Debussy in seinen drei "Bildern" ("Images") für Orchester herauf. Dafür zieht er englische Gigues, spanische Folklore und französische Volkslieder heran. Und auch bei Debussy gibt es - wie bei Ives - im zweiten Bild eine stimmungsvolle Nachtszene: "Les parfums de la nuit" (Die Düfte der Nacht). Doch beim Großmeister des orchestralen Impressionismus bleibt dies alles nur Andeutung und flüchtige Ahnung. Debussy verzaubert, indem er kunstvoll zu verschleiern weiß.
Autor: Julius Heile
