Stand: 13.06.2018 12:00 Uhr

Nachgefragt: Francesco Piemontesi

Pianist Francesco Piemontesi © Marco Borggreve Foto: Marco Borggreve
Er gilt als einer der herausragendsten Pianisten unserer Zeit: Wahlberliner Francesco Piemontesi.

11 Jahre war Francesco Piemontesi alt, als er sein Konzertdebüt am Klavier spielte. Kurz vor seinem 35. Geburtstag gibt der gebürtige Schweizer sein Debüt beim NDR Elbphilharmonie Orchester - mit Johannes Brahms' Zweitem Klavierkonzert. "Nicht Brahms zu spielen, fände ich idiotisch", sagt der Pianist, und verrät, worauf er sich bei seinem Debüt in der Elbphilharmonie besonders freut.

Mit den anstehenden Konzerten geben Sie Ihr Debüt beim NDR Elbphilharmonie Orchester und in der Elbphilharmonie. Worauf freuen Sie sich besonders?

Francesco Piemontesi: Ich bin natürlich sehr, sehr gespannt auf den neuen Saal und seine Akustik, wie man sich vielleicht vorstellen kann. Auf Bildern sieht er sehr spektakulär aus, muss ich sagen. Ich bin gespannt, ob dieser Eindruck auch live bestätigt wird. Vielleicht wird er ja sogar übertroffen. Das Orchester kenne ich seit langer Zeit von Aufnahmen, und in meiner Studienzeit an der Musikhochschule in Hannover waren wir gelegentlich zu Konzerten in Hamburg, unter Christoph von Dohnányi zum Beispiel. Da habe ich sehr gute Erinnerungen dran.

Inwiefern beeinflusst denn ein Konzertsaal Ihr Spiel?

Piemontesi: Mehr und mehr, muss ich sagen. Man muss als Solist seine Ohren im Saal haben. Es zählt ja nicht, was ich auf der Bühne höre, sondern es geht darum, was beim Publikum ankommt! Und das kann eben von Saal zu Saal sehr unterschiedlich sein. Deshalb braucht man unbedingt Probezeit auf der Bühne, um mit einem bestimmten Instrument in einem bestimmten Raum dem Publikum nachher das kommunizieren zu können, was das Stück eben verlangt.

Sie interpretieren in Hamburg das Klavierkonzert Nr. 2 von Johannes Brahms. Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit dieser Musik?

Piemontesi: Natürlich! Die erste Aufnahme, die ich davon gehört habe, stammte von Wilhelm Backhaus. Live habe ich es dann zum ersten Mal von Mikhail Pletnev gehört. Das war vielleicht keine Referenzinterpretation, wobei Pletnev natürlich ein ganz großer Pianist ist. Aber Brahms verlangt nach einem etwas anderen Klang, denke ich.

Brahms' Freund Theodor Billroth sagte über das B-Dur-Konzert: "Zum ersten Konzert verhält es sich wie der Mann zum Jüngling; unverkennbar derselbe, und doch alles gedrungener, reifer." Würden Sie zustimmen?

Piemontesi: Nicht unbedingt. Dem ersten Konzert kann ich wenig Jünglingshaftigkeit attestieren - im Gegenteil: Ich finde, dass das ein unglaublich reifes und ernsthaftes Werk ist. Eher gibt es dann im zweiten Konzert verspieltere, übermütigere Pianistik und auch sozusagen "sportlichere" Aspekte als im ersten. Insofern verhält es sich eigentlich umgekehrt, oder? Aber ich glaube eigentlich nicht an die Sinnhaftigkeit von solchen Kategorisierungen.

Was fasziniert Sie an Brahms und seinen Klavierkonzerten generell?

Piemontesi: Wenn ich darüber nachdenke, kommt es mir fast unerheblich vor, was mich nun persönlich an Brahms fasziniert. Wir sprechen über eines der größten Genies der Menschheit, der uns unsterbliche Kunst hinterlassen hat. Die Kriterien für seine Größe kann ich nicht vollständig benennen, aber seine Perfektion, seine Originalität, seine Aufrichtigkeit und Poesie spielen wohl eine Rolle. Seine Klavierkonzerte gehören einfach zum Besten, was jemals für dieses Instrument geschrieben worden ist. Nicht Brahms zu spielen, fände ich idiotisch. Da würde dem Leben etwas fehlen.

Sie haben zwei recht ungewöhnliche Hobbys: Einerseits sammeln Sie Glocken aus verschiedenen europäischen Gießereien, andererseits beschäftigen Sie sich gern mit Quantenphysik. Haben diese Passionen auch Einfluss auf Ihr Klavierspiel?

Piemontesi: Als Hobby-Campanologe sage ich: Selbstverständlich hat es etwas mit Musik zu tun, weil es etwas mit Klang zu tun hat, mit Klangschönheit. Und da bin ich nicht alleine. Gerade habe ich die "Années de pèlerinage" von Liszt aufgenommen, mit den "Cloches de Genève". Aber nicht nur Liszt hat zahlreiche Glocken-Stücke geschrieben. Die Glocke zieht sich als Faszinosum durch die Musiktradition, egal ob bei Berlioz oder Morton Feldman. Mit der Physik verhält es sich anders, das interessiert mich einfach, aber da würde ich keine direkten Verbindungen ziehen.

Was machen Sie sonst noch, wenn Sie einmal richtig "abschalten" wollen?

Piemontesi: Dann schalte ich das Smartphone aus und lese keine E-Mails.

Zum Schluss die altbekannte Frage: Welches wäre Ihre Musik für die "einsame Insel"?

Piemontesi: Ich würde mich lieber erschießen als mit nur zehn Stücken auf einer einsamen Insel leben zu müssen. Wenn, dann bräuchte es einige hundert Stücke und natürlich Bücher, Kunstwerke. Und ein paar ausgewählte Menschen wären eigentlich auch nicht schlecht.

Das Gespräch führte Julius Heile.

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