Stand: 10.09.2020 10:00 Uhr

Nachgefragt: Pianist Dejan Lazić

Pianist Dejan Lazić im Porträt © Susi Knoll
Dejan Lazić wurde in Zagreb, Kroatien, in eine Musiker-Familie geboren. Er wuchs in Salzburg auf, wo er am Mozarteum Klarinette, Klavier und Komposition studierte.

Gemeinsam mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester ist Dejan Lazić kommendes Wochenende in der Elbphilharmonie sowie bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern zu erleben. Der international gefragte Tastenvirtuose übernimmt den Part des Solisten in Beethovens kämpferischem Klavierkonzert Nr. 5. Im Interview verrät der Kroate, wie er die letzten Monate ohne Auftritte genutzt hat und was Beethovens letztes Klavierkonzert so besonders macht.

Herr Lazić, wenn Sie auf die letzten Monate zurückblicken: Wie haben Sie sich gefühlt, als klar wurde, dass aufgrund der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit keine Konzerte mehr stattfinden werden?

Dejan Lazić: Es war natürlich ein Schock! Alles ging so schnell: Noch im Februar, nachdem ich aus den USA zurück nach Europa gekommen war, hatte ich Konzerte in Amsterdam - und kurz danach waren weltweit die Konzertsäle dicht.

Vor allem die Ungewissheit, wann es wieder weitergehen wird, war schlimm, denn im Frühling hatte ich viele verschiedene Programme vorgeplant, und ich wusste nicht genau, was mich und uns alle jetzt erwartet, wie ich mich verhalten und vorbereiten soll.

Wie haben Sie dann Ihre unerwartete Freizeit verbracht?

Lazić: Nach der anfänglichen Ungewissheit kam eine innerlich eher ruhigere Periode, in der ich mich vor allem meinen neuen Kompositionsprojekten widmen konnte. Eigentlich, weil ich seit meinem zwölften Lebensjahr praktisch ständig unterwegs bin, war diese zwar ungewollte, aber unvermeidliche Situation für mich sogar eine willkommene Gelegenheit, endlich für eine längere Zeit zu Hause zu bleiben und in aller Ruhe an meiner ersten Oper arbeiten zu können.

Auch konnte ich wichtige Fortschritte an meiner "Chinesischen Fantasie" für Violine und Orchester erzielen. Es war die produktivste Zeit für mich als Komponist überhaupt.

Die Corona-bedingte Zwangspause haben Sie also nicht nur als negatives Erlebnis empfunden. Was konnte man Ihrer Meinung nach aus dieser Zeit lernen?

Lazić: Etwas, was wir alle ja schon immer wussten, was man aber ständig wiederholen sollte: Die Gesundheit ist am Wichtigsten! Und dass es auch etwas langsamer geht in unserer allzu schnellen Welt. Es tut letztendlich nicht nur uns Menschen, sondern auch der Tier- und Pflanzenwelt, ja der ganzen Erdatmosphäre gut, wenn wir etwas "zurückstellen" und durchdenken, was im Leben zählt und was wirklich wichtig ist.

Nun ist die Zeit ohne öffentliche Konzerte aber zum Glück vorbei und wir freuen uns auf Ihre Auftritte in Hamburg. Wie blicken Sie Ihrer Zusammenarbeit mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester in diesen Tagen entgegen?

Lazić: Ich bin so glücklich, dass es endlich wieder weitergeht und dass meine ersten Konzerte nach dieser sechsmonatigen Konzertpause ausgerechnet mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester und Krzysztof Urbański in der Elbphilharmonie stattfinden! Ich freue mich so sehr, zurück bei ihnen sein zu dürfen, denn ich habe ganz wunderbare Erinnerungen an unser gemeinsames Musizieren bei vergangenen Projekten. Mit Krzysztof Urbański verbindet mich außerdem eine langjährige, sehr inspirierende und produktive Zusammenarbeit!

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Und zum Schluss unbedingt noch ein paar Worte zur Musik, die Sie in Hamburg spielen: Beethovens 5. Klavierkonzert, passend zum Beethoven-Jahr 2020. Was fasziniert Sie an diesem Werk?

Lazić: Wir alle beschäftigen uns in diesem Jahr noch intensiver mit Beethoven als sonst - klar, er ist ja einer der Größten! Interessanterweise wurde noch im Januar mein Werk "S.C.H.E.rzo" für Orchester, das eine Hommage an Beethoven darstellt, ausgerechnet von Krzysztof Urbański und dem Indianapolis Symphony Orchestra in den USA uraufgeführt. Dadurch beschäftigte ich mich mit seinem Œuvre sogar noch zusätzlich.

Das Klavierkonzert Nr. 5 ist in so vieler Hinsicht ein Meilenstein, ein revolutionäres, dramatisches, aber auch feinfühliges, eben ein höchst kontrastreiches Meisterwerk. Einerseits blickt es zurück zu Mozarts Klavierkonzert KV 271 ("Jeunehomme") - auch in Es-Dur, und auch mit dem ersten Eintritt des Klavier-Solos bereits im zweiten Takt! -, andererseits blickt es weit in die Zukunft voraus und inspirierte Generationen von Komponisten.

Es ist ein Konzert, aber auch eine heroische Sinfonie mit Klavier (man denkt an seine Sinfonie Nr. 3 "Eroica" oder Richard Strauss' "Ein Heldenleben", beide ebenfalls in der "heldenhaften" Tonart Es-Dur) und zugleich ein Kammermusikwerk, mit dem bezaubernden, innigen Adagio in der mediantischen, "entfernten" Tonart H-Dur als langsamem Satz. Dann noch die durchaus fein nuancierten Dialoge zwischen den Streichern, Bläsern, Pauke und dem Solo-Klavier, dazu die improvisierenden, virtuosen Kadenzen - das alles ist eben ein Universum für sich!

Die Fragen stellte Julius Heile.

Orchester und Vokalensemble