Mit recycelten Akkus: E-Mopeds aus Meddewade für ganz Europa

Stand: 27.02.2024 20:24 Uhr

Die Zahl 50 ist eine wichtige Marke im Leben von Marvin Rau und Michael Szpitalny: 50 Stundenkilometer sind sie schnell, 50 Stück einer Vorserie sind verkauft und 50 bis 60 Kilometer weit rollen die E-Mopeds der beiden.

von Oliver Kring

Aus der Werkstatt in Meddewade (Kreis Stormarn) kommen ganz typische Geräusche: Trennschleifer, Hammerschläge und vor allem das "Ratschen" von Drehmomentschlüsseln. Ein Zweirad steht auf einer selbst gebauten mobilen Plattform: Marvin Rau und Michael Szpitalny haben Elektromobilität und Fahrzeugbau studiert. Jetzt gerade schrauben sie ein Gehäuse am Rahmen eines ihrer E-Mopeds fest. Dort hinein kommt später der Akku. Der Clou: Sie benutzen keine neuen Akkus. Es werden ausschließlich recycelte Akkus aus früheren Elektrofahrzeugen verwendet. Wenn der Plan der beiden aufgeht, dann rollen bald überall in Europa Mopeds mit ihren wiederverwendeten Autobatterien.

Das erste Akkuleben mit E-Mopeds verlängern

Michael Szpitalny und Marvin Rau stehen in einer Werkstatt. © NDR
Marvin Rau und Michael Szpitalny haben Elektromobilität und Fahrzeugbau studiert.

Die beiden 29-Jährigen haben die ehemalige Tischler-Werkstatt von Großvater Rau zur Montage- und Recycling-Stätte für die E-Mopeds mit ausgemusterten E-Auto-Batterien umfunktioniert. "Die kommen von den großen Automobilherstellern. Die kaufen die containerweise ein, prüfen die durch und verkaufen die dann weiter. Die kommen meist eben von Erprobungsfahrzeugen, die dann teilweise nur 30 Kilometer unterwegs waren, um das Fahrwerk zu testen", erklärt Rau. Das Gute ist, so die Tüftler: Diese Akkus haben dann nachgemessen 100 Prozent ihrer Kapazität - weil sie eben nur so wenige Kilometer unterwegs waren.

"Abgemagert": Aus 400 Kilogramm schweren Auto-Akkus werden 11-Kilo-Module

Ein Mann schraubt in einer Werkstatt an einem E-Moped. © NDR Foto: Oliver Kring
In diesem Behälter wird später der Akku platziert. Er erinnert an den früheren Moped-Tank.

Für ihre E-Mopeds brauchen Michael und Marvin natürlich nicht die riesigen und bis zu 400 Kilogramm schweren großen Akkus aus E-Mobilen, sondern viel kleinere und leichtere. Deshalb werden aus den großen und schweren, kleine und leichte Akkus. "Die großen Batterien, von denen wir die Module verwenden, liegen so zwischen 25 und 34 kWh - je nach Baujahr. Wir bekommen dann dieses Modul zerlegt - das sind dann 1,6-kWh- Module." Die Zellen sind perfekt angeordnet für ihre Bedürfnisse, sagen sie. Ein Modul ist dann elf bis zwölf Kilogramm schwer mit Gehäuse und Elektronik. Es kommt in das Gehäuse, das die beiden bereits montiert hatten und sieht so aus wie der Tank der früheren Mopeds mit Verbrenner-Motor.

"Zweites und Drittes Leben" für die Batterien

Somit beginnt ein zweiter Lebenszyklus, obwohl der erste ja noch gar nicht abgeschlossen ist: "Diese Akkus haben ja teilweise nur 30 Kilometer Reichweite gesehen, vorher", so Marvin Rau. Der Umbau sei eine vielversprechende Lösung finden er und sein Kollege. Denn bislang ist die Recycling-Quote bei E-Auto-Batterien noch sehr gering. Nach Angaben des ADAC und des Fraunhofer Instituts liegt die Quote gerade bei fünf Prozent. Bis 2030 soll der Wert auf 95 Prozent steigen. Das Start-up aus Meddewade will seinen eigenen Beitrag dazu leisten. Aber es gibt auch weitere Second-Life-Methoden, sagt Rau: "Dass man den Akku - wenn er schon ein paar Jahre in Betrieb war - für stationäre Speichersysteme nutzt: Für Solaranlagen und so weiter. Die Lieferanten ihrer Akkus bauen solche Anlagen auch auf.

Lebensdauer kann verdoppelt werden

Die Lebensdauer von Batterien in Elektrofahrzeugen hat aktuell laut ADAC eine durchschnittliche Lebensdauer von etwa 160.000 Kilometern oder rund sechs bis acht Jahren. Bei der Second-Life-Methode kämen je nach Einsatz noch einmal etwa zehn Jahren hinzu. Danach bleiben das thermische und das stoffliche Recycling: "Wenn der Akku wirklich für den Antrieb des Elektromotors am Ende ist, kann er geschreddert werden. So können die einzelnen Bestandteile noch herausgefiltert werden", sagt Szpitalny. Eine andere Möglichkeit sei das Aufschmelzen. Die Materialien haben unterschiedliche Siedepunkte. So könnten Aluminium und Kupfer, Graphit, Silicium, Kobalt zurückgewonnen werden.

Sound-System soll für bessere Wahrnehmung sorgen

Ein Mann hält in den Händen einen E-Moped-Lautsprecher. © NDR Foto: Oliver Kring
Dieser Lautsprecher gibt den Sound aus - und sorgt dafür, dass das E-Moped auch zu hören ist.

Zurück in die Werkstatt: Als letzten Schritt montieren die beiden Männer ein Sound-Modul ins E-Moped. Es erzeugt wahlweise insgesamt acht verschiedene Sounds über einen Lautsprecher: Vom großen Motorrad über den Klang eines Zweitakter-Retro-Mopeds bis zu einem futuristischen Elektrosound. "Wir finden, das ist neben dem Spaß auch ein echter Sicherheitsaspekt: Das sorgt für eine bessere Wahrnehmung der sonst eher leisen Elektrofahrzeuge bei anderen Verkehrsteilnehmern", sagt Szpitalny.

Hersteller-Lizenz als nächster Schritt

Bleibt die Frage, wann die E-Mopeds über die Straßen rollen werden. Ein TÜV-Gutachten für den Betrieb im Straßenverkehr liegt bereits vor. Alle 50 Maschinen sind verkauft. Der nächste Schritt ist die Zulassung des Start-ups als Hersteller beim Kraftfahrtbundesamt. Jetzt suchen die beiden größere Investoren. "Wenn es schnell geht - macht nix", sagen sie. Denn bald sollen die E-Mopeds auch europaweit verkauft werden.

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Schleswig-Holstein Magazin | 27.02.2024 | 19:30 Uhr

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