Mit erneuerbaren Energien zum Abitur in Osterrönfeld

Stand: 18.02.2024 12:30 Uhr

Das Schulfach "Erneuerbare Energien und Umwelttechnik" ist in seiner Form einzigartig in Schleswig-Holstein - am BG Osterrönfeld ist es für die Schülerinnen und Schüler das erste Hauptfach auf dem Weg zum Abitur.

von Julia Jänisch

Am Beruflichen Gymnasium Osterrönfeld ist die Energiewende zum Greifen nah: Auf der Straße gegenüber dem Schulgebäude lagern Rotorenblätter für Windräder, ein Mini-Windrad steht auf dem Schulhof, Solarzellen liegen auf dem Dach. Und auch in den Klassenzimmern steht ein Fach im Mittelpunkt: "Erneuerbare Energien und Umwelttechnik". Auf dem Lehrplan stehen Klimaschutz, energetische Gebäudeoptimierung, Windenergie, Biomasse, Solarenergie und zukunftsorientierte Technologien - auf dem Weg zum Abitur ein einzigartiges Fach. Das BG Osterrönfeld ist laut Schleswig-Holsteinischem Institut für Berufliche Bildung (SHIBB) tatsächlich das einzige Berufliche Gymnasium im Land mit diesem Schulfach.

Grüner Wasserstoff im Klassenzimmer

Heute geht es im Unterricht um grünen Wasserstoff. Dafür haben die Schülerinnen und Schüler einen Versuch aufgebaut. Sie brauchen: Solarenergie, einen Elektrolyseur und destilliertes Wasser. Aus einer Mini-Solarzelle wird Strom gewonnen. Der wird an einen Elektrolyseur weitergeleitet - und destilliertes Wasser wird in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Schon nach wenigen Minuten ist er da: der grüne Wasserstoff im Reagenzglas.

Die Technik hinter den erneuerbaren Energien zu verstehen - genau das sollen die Schüler hier lernen. Und das tun sie gerne, erzählt Leeroy: "Ich glaub, für viele ist das so ein Hexenwerk, was Wasserstoff überhaupt ist. Es ist spannend, dass es gar nicht so schwierig ist, das zu machen." Und auch Mia ist begeistert: "Wasserstoff umweltfreundlich herzustellen ist ja nicht die gängige Variante und mit Solar würde das halt funktionieren."

Was ist "grüner Wasserstoff"?

Wasserstoff ist keine Energiequelle wie Erdöl, Wind oder Sonnenenergie, sondern ein Energiespeicher. Von Natur aus kommt Wasserstoff nur in gebundener Form vor, etwa in Wasser oder Erdgas. Um das farblose chemische Element aus dieser Bindung abzuspalten, ist Energie notwendig. Dabei wird Wasser (H2O) in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Für umweltfreundlichen "grünen Wasserstoff" werden Erneuerbare Energien wie Solar- oder Wind-Energie verwendet, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten (Elektrolyse).

Das Fach hat sich in zehn Jahren weiterentwickelt

Zehn Jahre gibt es das Schulfach schon am Beruflichen Gymnasium Osterrönfeld, das Teil des BBZ Nord-Ostsee-Kanals ist. Roman Böhme unterrichtet das Fach von Anfang an. Wasserstoff stand schon immer auf dem Lehrplan, aber vieles habe sich verändert, erzählt er: "Wasserstofftechnik war am Anfang eigentlich Zukunftsmusik. Inzwischen ist es die reale Zukunft. Deutschland hat eine Wasserstoffstrategie, Schleswig-Holstein hat eine. Es ist der Energieträger der Zukunft. Was ich unterrichte, ist das, was aktuell auch in der Wirtschaft wichtig ist."

Das Fach sei an der Schule alltäglich geworden - denn genau wie die Erneuerbaren Energien sei ja auch der Klimawandel inzwischen in der Gegenwart angekommen. Seine Schülerinnen und Schüler brennen trotzdem weiter für die die Energiewende, sagt er: "Das liegt auch an den Lehrern, die alle mit Leidenschaft dabei sind. Und wir sind eine kleine, familiäre Schule - dadurch haben wir viel Spielraum für Diskussionen und Experimente."

Schüler mögen "alles" an dem Fach

Bei dem Experiment heute sollten die Schülerinnen und Schüler nach dem Versuch berechnen, wie viel Energie aus dem Solarstrom in Wasserstoff umgewandelt wurde. Normalerweise sind das um die 80 Prozent. Manche bekommen Werte über hundert heraus, die sie selbst kaum glauben können. "Messfehler sind ganz normal", lacht Romen Böhme, "wenn das stimmen würde, wären wir reich."

Im 13. Jahrgang bereiten sich 16 Schülerinnen und Schüler aufs Abitur vor. Fragt man sie, was sie an dem Fach so mögen, kommt häufig die Antwort: alles. Mia sagt: "Ich finde es besonders interessant, die Energiewende technisch zu betrachten und auch zu sehen, ob Deutschland die Energiewende schafft oder nicht." Diesen kritischen Blick hat auch Leeroy: "Die Maßnahmen gegen den Klimawandel werden gerade an die Wand gefahren. Mir ist wichtig, dass die Energiewende besser umgesetzt wird."

Nachhaltige Studienfahrt

An einer besseren Umsetzung arbeiten die angehenden Abiturienten schon jetzt. Nachhaltigkeit geht für sie daher auch außerhalb des Klassenzimmers weiter. Sie überlegten sich ein besonderes Projekt: Eine nachhaltige Studienfahrt - und zwar nach Spanien. Zu fliegen war für sie keine Option. Schnell war klar: Nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln wollen zum Ziel gelangen. Dabei gab es vor allem ein Problem, erzählt Jette: "Es ist einfach viel günstiger einen Flug zu nehmen. Der kostet dann manchmal nur 30 Euro. Und ein Interrail-Ticket kostet um die 300 bis 400 Euro." Trotzdem stand fest: Sie wollen mit dem Zug fahren - auch wenn die Preise ihr Budget deutlich überstiegen.

Die Lösung: Sie verdienten sich Geld dazu - und auch das nachhaltig. Für das benachbarte Nordkolleg Rendsburg erstellten sie Klimabilanzen. Dabei nahmen sie den Stromverbrauch, das Abwasser und die Mobilität der Mitarbeiter unter die Lupe - das kam gut an. Und die Schüler nahmen deutlich mehr Geld ein als erwartet. Damit finanzierten sie sich einen Museumsbesuch und kauften vor Ort nur vegetarische und regionale Lebensmittel ein. Die Mahlzeiten bereiteten sie dann selbst zu - auf einem Campingplatz, der umweltschonenden Unterkunft ihrer Wahl.

Erneuerbare Energien - ein Option für die Berufswahl

Und die Zugfahrt? Die dauerte zwei Tage - pro Weg. Mehr als 75 Prozent CO2 haben sie so gegenüber einer Flugreise eingespart. Die Route für eine so große Gruppe zu planen war eine Herausforderung. Viele Langstreckenzüge waren nicht mehr verfügbar und die Reservierungen teuer. Mit Regionalzügen und vielen Umstiegen kamen sie über die Schweiz und Frankreich aber schließlich ans Ziel Nordspanien.

"Die Stimmung auf der Reise hat schon sehr geschwankt zwischen: Wir sind gleich da und: Jetzt haben wir wieder Verspätung und müssen auf einem Bahnhof warten", erzählt Finn-Malte. Jette fand es besser als erwartet: "Es waren einfach zwei Tage voller Erlebnisse. Man hat so viele Kulturen und Menschen kennengelernt, das war schon sehr toll." Im Sommer sind sie fertig mit der Schule. Viele von ihnen können sich vorstellen, auch ihr Berufsleben mit erneuerbaren Energien zu verbringen - denn das Fach "Erneuerbare Energien und Umwelttechnik" haben sie vor allem gewählt, weil sie in Zukunft etwas verändern wollen.

Kooperationen nicht ausgeschlossen

Beim Beruflichen Gymnasium Osterrönfeld gibt es derzeit keine Kooperationen mit Unternehmen - solche sind aber in Zukunft nicht ausgeschlossen. Das Berufliche Gymnasium arbeitet eng mit den dualen Ausbildungsgängen am BBZ NOK zusammen. Außerdem gibt es eine Kooperation mit der FH Kiel: Leistungen aus dem Fach "Erneuerbare Energien und Umwelttechnik" können dort als Studienleistungen anerkannt werden.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 16.02.2024 | 19:30 Uhr

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