Eine Pflegekraft führt eine ältere Dame einen Korridor entlang. © dpa-Bildfunk Foto: Christoph Schmidt
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AUDIO: Höhere Eigenanteile belasten Pflegebedürftige und Angehörige (1 Min)

Heime immer teurer - Menschen in SH werden öfter zu Hause betreut

Stand: 11.01.2024 18:21 Uhr

Höhere Zuschläge können die gestiegenen Kosten nicht ausgleichen. Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) bezeichnet die Entwicklung als alarmierend und fordert Veränderungen der Pflegeversicherung. Auch Vereine schlagen Alarm.

von Elin Halvorsen

Die Betreuung von Menschen in Pflegeheimen wird immer teurer. Der Eigenanteil, den Pflegebedürftige zahlen müssen, ist laut dem Verband der Ersatzkassen auch zu Beginn dieses Jahres erneut gestiegen. Die Folgen seien besorgniserregend, erklärt Nicole Knudsen, Vorsitzende des Vereins "wir pflegen Schleswig-Holstein", einer Interessenvertretung und Selbsthilfeorganisation pflegender Angehöriger. "Sollten die Kosten für die stationäre Unterbringung in Schleswig-Holstein weiter steigen, hat das zur Folge, dass immer mehr Menschen in der Häuslichkeit bleiben und von ihren Angehörigen gepflegt werden müssen - die Umstände in der häuslichen Pflege sind aber dramatisch", sagt Knudsen. Vier von fünf pflegebedürftigen Menschen würden bereits zu Hause versorgt. Viele können sich einen Heimplatz nicht leisten, für andere seien Pflegeheime keine Option mehr, weil die Sorge vor einer Insolvenz groß sei.

Eigenanteil steigt kontinuierlich trotz Entlastung

In Schleswig-Holstein liegt der Eigenanteil laut Verband der Ersatzkassen mittlerweile bei 2.452 Euro pro Monat und ist somit um 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Die Summe setzt sich aus Zuzahlungen für die Pflege, Unterkunft und Verpflegung, sowie Investitionskosten der Heime zusammen. Laut AOK NordWest ist absehbar, dass die finanzielle Belastung auch zukünftig steigt. Das habe laut AOK-Vorstandschef Tom Ackermann unter anderem mit gestiegenen Lohnkosten und inflationsbedingten Tarifsteigerungen für die Arbeitskräfte in den Einrichtungen zu tun. Zudem werden die Unterbringung und die Verpflegung immer teurer. So kommt es, dass trotz der erhöhten Zuschläge für die Pflege, die von den gesetzlichen Pflegekassen gezahlt werden, die Kosten weiter steigen. Die AOK fordert daher unter anderem Investitionskosten für Pflegeheime künftig aus Steuermitteln zu bezahlen, genauso wie die Ausbildungskosten für Fachkräfte.

Jeder dritte Mensch in Pflegeheimen bekommt Sozialleistungen

Gerade in Schleswig-Holstein gibt es laut dem Verein "wir pflegen Schleswig-Holstein e.V." die besondere Situation, dass ungefähr jeder dritte Heimbewohner und jede dritte Heimbewohnerin abhängig sei von Sozialleistungen. Das heißt, sie bekommen Wohngeld und andere Leistungen des Staates. Die Vorsitzende Nicole Knudsen findet: "Das ist natürlich kein Dauerzustand, denn die Kommunen müssen dann für die hohen Beiträge bezahlen, was sie oftmals gar nicht leisten können. Die Folge daraus ist, dass sich immer weniger Menschen eine Unterbringung werden leisten können." Dazu kommt, dass es immer schwieriger sei, überhaupt einen geeigneten Platz in Wohnnähe zu finden, so dass die Pflegebedürftigen auch besucht werden könnten. Das gelte besonders für Länder mit wenig Ballungsräumen und überwiegend ländlichen Bereichen, so wie in Schleswig-Holstein. "Die Heimplätze sind also sehr, sehr schwer zu kriegen, sind nur für ein ganz bestimmtes Klientel noch zu haben - und wenn sie das schaffen einen Heimplatz zu bekommen, ist dieser natürlich auch sehr, sehr teuer", so Knudsen. Auch das führe langfristig dazu, dass immer mehr Menschen zu Hause gepflegt werden müssen.

Touré: Anstieg der Pflegekosten alarmierend

"Jetzt zeigt sich, wie unzureichend die Pflegereform des vergangenen Sommers ist. Die höheren Leistungszuschläge können die steigenden Pflegekosten nicht abdecken, so dass der Eigenanteil für die Pflegebedürftigen weiter steigt", sagt Sozialministerin Aminata Touré (Grüne). Auch wenn in Schleswig-Holstein bereits Pflegebedürftige mit geringem Einkommen und Vermögen finanziell durch das Pflegewohngeld entlastet werden, könne es mit den stetig steigenden Eigenanteilen so nicht weitergehen. Deswegen bräuchte es eine grundlegende Veränderung in der Finanzierungsstruktur der Pflegeversicherung.

Tagespflege wäre wichtige Entlastung

Doch das sei nur die Spitze des Eisbergs, sagt die Vereinsvorsitzende Nicole Knudsen. Zwar würden 50 Milliarden Euro Leistungsausgaben aus der sozialen Pflegeversicherung für die häusliche Pflege genutzt, dagegen stünden aber 74 Milliarden die nicht abrufbar seien. Das liege nicht daran, dass die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen diese Leistungen nicht wollen, sondern daran, dass die Ansprüche nur als Sachleistung abgerufen werden könnten, entsprechende Angebote jedoch fehlten, so der Verein. "Die Tagespflege wäre die wichtigste Entlastung von pflegenden Angehörigen, damit sie weiterhin berufstätig bleiben können. Solche Plätze stehen aber nur weniger als drei Prozent der pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung", sagt die Vorsitzende. Dadurch könnten allein bei der Tagespflege Leistungsansprüche in Höhe von 40 Milliarden Euro nicht eingelöst werden. Viele Angehörige würden ihre Arbeit aufgrund der Pflege in Teilzeit wandeln oder ganz aufgeben, das koste Rentenpunkte. "70 Prozent der pflegenden Angehörigen sind übrigens Frauen, die fehlen nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern landen dadurch später auch in der Altersarmut", sagt Nicole Knudsen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 11.01.2024 | 16:00 Uhr

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