AKW Brokdorf: Kreis Steinburg will Unterstützung vom Bund

Stand: 20.02.2023 19:03 Uhr

Zusammen mit zwölf anderen Kommunen mit Ex-AKW-Standorten hat der Kreis Steinburg eine Resolution an das Bundeswirtschaftsministerium geschickt und fordert Unterstützung für das abgeschaltete Atomkraftwerk Brokdorf.

von Carsten Rauterberg

Das Atomkraftwerk (AKW) Brokdorf war jahrelang der größte Arbeitgeber in der 1.000 Einwohner großen Gemeinde. Gut 400 Frauen und Männer haben dort bis Ende 2021 gearbeitet. Dann wurde der Meiler wie geplant abgeschaltet. Mittlerweile sind es nur noch 180. Denn für den geplanten Rückbau werden nicht mehr so viele Mitarbeitende benötigt. Und wenn der Rückbau in 15 bis 20 Jahren abgeschlossen ist, fallen auch diese Jobs weg. Viele Mitarbeitende haben in Brokdorf und in den umliegenden Gemeinden in der Wilstermarsch gewohnt und dort zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen. Nun steht ein Strukturwandel an, eine sogenannte Konversion.

Gemeinde profitierte von Gewerbesteuern

Auch die Gemeinde hat von dem AKW profitiert. Ganz konkret von den Gewerbesteuer-Zahlungen des Kraftwerksbetreibers PreussenElektra, früher E.ON. "Die Gemeinde hat natürlich in eine Sporthalle investiert, in eine Eishalle, in das Schwimmbad - wir haben eine Friedhofskapelle gebaut und gemeindeeigene Wohnungen", sagt Bürgermeisterin Elke Göttsche (CDU). Durch die Gewerbesteuer-Einnahmen sei es natürlich leichter gewesen, so etwas zu planen und umzusetzen. "So ein großer Gewerbebetrieb bringt natürlich schon Vorteile für eine Gemeinde", ergänzt die ehrenamtliche Bürgermeisterin. Genaue Summen dürfe sie nicht nennen, der Grund sei das Steuergeheimnis, so Göttsche. Aber klar ist: Diese Einnahmen fallen nun weg.

Initiative für die Zeit nach dem AKW

Landrat Claudius Teske. © Kreis Steinburg
Claudius Teske, Landrat des Kreises Steinburg, will die Strom-Infrastruktur des AKWs für den Ausbau erneuerbarer Energien nutzen.

Nun will sich der Kreis Steinburg um Brokdorf kümmern. Zusammen mit zwölf anderen Landkreisen, in denen es abgeschaltete Atomkraftwerke gibt, hat Landrat Claudius Teske (parteilos) eine Resolution an das Bundeswirtschaftsministerium verfasst. Genau wie die Kohle-Reviere in Nordrhein-Westfalen Hilfe beim Strukturwandel bekommen würden, benötigten auch die AKW-Standorte Unterstützung vom Bund, sagt Teske: "Jetzt befinden wir uns gerade in einer Zeit der Energiewende. Das heißt wir wollen weg von der Kohleverstromung, wir wollen weg von den fossilen Energien, wir wollen hin zu grüner Energie." Und deswegen habe er sich sehr gerne dieser Initiative angeschlossen, "denn wir haben hier die Energieküste mit sehr sehr viel Wind, und wir wollen bei der Energiewende ein große Rolle spielen."

Keine Entschädigungen, sondern Hilfe bei Projekten

Steinburgs Landrat möchte keine pauschalen Entschädigungszahlungen vom Bund, sondern Unterstützung beim Strukturwandel des Standortes. Weg vom AKW und hin zur Produktion von erneuerbarer Energie: "Wir haben ein Atomkraftwerk, das natürlich eine große Strom-Infrastruktur hat. Wir haben eine hohe Akzeptanz in der Standortgemeinde für Energieprojekte und jetzt brauchen wir Hilfe vom Bund, denn das können Gemeinde, Amt oder Kreis nicht alleine schaffen." Diesen Prozess müsse man jetzt anschieben, das sei der Sinn dieser Resolution.

Grüne Energie aus Brokdorf

Claudius Teske hat eine konkrete Wunschvorstellung: "Stellen sie sich vor, da wo jetzt das AKW steht, ist in einigen Jahren eine Anlage zur Produktion von grünem Strom. Die Höchstspannungsleitungen, die den hergestellten Strom abtransportieren, sind schon da. Jetzt brauchen wir noch eine entsprechende Anlage, das könnte zum Beispiel das Thema grüner Wasserstoff sein, aber das ist nur eine Idee von vielen." Brokdorf habe den Vorteil, dass im Gegensatz zu anderen schon die Infrastruktur vorhanden sei. Nur für die Planung und für die Genehmigung einer Produktionsanlage brauche man eben auch Jahre, und deswegen müsse jetzt bereits angefangen werden, sagt Steinburgs Landrat.

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Brokdorf hat derzeit ein jährliches Defizit im Haushalt, erläutert der Kämmerer des Amts Wilstermarsch, Sven Baumann. Konkret heißt das: Die laufenden Ausgaben sind höher als die Einnahmen der Gemeinde. Langfristiges Ziel sei es, wieder bei plus/minus null anzukommen. "In Brokdorf hatten wir jahrelang das Kernkraftwerk, und das hat jahrelang für Einnahmen bei den Steuern gesorgt - und für eine Rücklage bei der Gemeinde und durch die Amtsumlage auch beim Amt", erläutert Baumann. Aber das sei jetzt vorbei, weil seit dem Ende der Stromproduktion keine Steuern mehr fließen. Ziel müsse es nun sein, neue Unternehmen mit neuen Arbeitsplätzen nach Brokdorf zu locken, um wieder Steuereinnahmen zu bekommen, sagt der Kämmerer.

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Brokdorf setzt auf Gewerbe und Tourismus

Seit einiger Zeit habe der Tagestourismus in Brokdorf zugenommen, sagt Bürgermeisterin Elke Göttsche. Zahlreiche Radfahrer würden an der Elbe entlang radeln, es gebe einen Wohnmobilstellplatz, das Freibad und einige nette Cafés und Restaurants. "Wir wollen jetzt auf einen Mix aus Gewerbe und Tourismus setzen. Die Frequenz bei den Tagestouristen hat schon zugenommen, vor allem im Frühjahr und Sommer", sagt Göttsche. Erste Gespräche mit Unternehmen habe es auch schon gegeben, daher wolle sie, dass beides weiter verfolgt werde.

Landrat Claudius Teske hat bisher auf die Resolution noch keine Reaktion aus Berlin. Ein paar Wochen wolle er abwarten. "Ich sehe es aber schon als meine Aufgabe an, da nachzufassen", sagt Teske. Er wolle von sich aus auf das Bundeswirtschaftsministerium und Minister Robert Habeck (Grüne) zugehen, "um ihm unsere Ideen und Vorstellungen zu erläutern". Er will also dran bleiben am Thema Konversion für Brokdorf. Denn die Energiewende findet bereits jetzt statt und nicht erst in einigen Jahren, so Steinburgs Landrat.

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Schleswig-Holstein Magazin | 20.02.2023 | 19:30 Uhr

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