Zwei Störche fliegen am Himmel. © Sina Schuldt/dpa Foto: Sina Schuldt

Erneut kein gutes Storchenjahr in MV: Viele Jungtiere verendet

Stand: 07.10.2022 17:28 Uhr

Auf dem Landesstorchentag im Karower Meiler ist die Stimmung getrübt. Dort ziehen die ehrenamtlichen Storchenschützer für 2022 eine sehr gemischte Bilanz. Der Nachwuchserfolg bei den Weißstörchen ist hierzulande auffällig gering und das seit 14 Jahren.

von Franziska Drewes

So richtig zufrieden waren die Storchschützer das letzte Mal 2008. Damals wurden im Schnitt mehr als zwei Jungvögel pro Horst gezählt. Dieses Bild bietet sich noch immer vor allem in den alten Bundesländern, dort ist sogar ein deutlicher Aufschwung zu spüren, allerdings nicht in Mecklenburg-Vorpommern. Hierzulande fällt die Nachwuchskurve stetig. Und das hat mehrere Gründe.

Starke regionale Unterschiede

Am Anfang des Jahres sah alles noch sehr erfolgsversprechend aus. Mehr Störche suchten sich einen Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Auch auffallend viele junge Störche wurden gesichtet, die ursprünglich einmal in Niedersachsen oder Hessen geschlüpft waren. Die Storchenschützer erhofften sich viel Nachwuchs. Insgesamt gehen mindestens 670 Brutpaare in die Statistik ein, das sind etwa 35 Brutpaare mehr als im Vorjahr. Dennoch macht Stefan Kroll auf große regionale Unterschiede aufmerksam. Er leitet die Landesarbeitsgemeinschaft zum Schutz der Weißstörche. Vor allem im Westen und Süden des Landes waren dieses Jahr viele Horste neu besetzt.

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"Das gilt für die Bereiche Ludwigslust, Nordwestmecklenburg, Müritz, Mecklenburg-Strelitz, Uecker-Randow. Dort haben wir zum Teil sehr schöne Zuwächse gehabt, die uns sehr erfreut haben. Auch auf der Insel Rügen gab es wieder mehr Paare, auch im Bereich des Altkreises Doberan. Es gibt aber auch andere Regionen, insbesondere Nordvorpommern und Ostvorpommern und Güstrow, wo es einen Rückgang gegeben hat". Das bedeutet: Mecklenburg-Vorpommern ist auf zugewanderte Störche angewiesen, um aus dem Tief zu kommen.

Ostzieher bevorzugen MV

Zu wenig Weißstörche kommen zurück nach Mecklenburg-Vorpommern, um hier zu brüten. Und die, die zurückkommen, haben zu wenig Jungtiere, die letztlich auch ausfliegen. Mecklenburg-Vorpommern wird vor allem von den Weißstörchen angeflogen, die auf der Ostroute unterwegs sind. Das sind vorrangig nicht die Tiere, die auf Mülldeponien in Spanien oder Marokko überwintern, sondern die Störche, die bis nach Ostafrika fliegen und eine gefährlichere Reise haben.

Ungesicherte Stromleitungen als Todesquelle

Viele Tiere verenden in ungesicherten Stromleitungen, vor allem in Polen, Rumänien und Bulgarien. Aus diesen Regionen kommen die meisten Meldungen von verunglückten beringten Störchen, weiß Stefan Kroll. "Das sind enorme Verluste, teilweise im dreistelligen Bereich. Die sind insbesondere dort, wo die Störche zahlreich rasten, an Mülldeponien. Und dann rangeln die um diese Plätze auf den Stromleitungen und da passiert so viel. Und wenn man die Stromleitungen sichern würde, dann würde eine ganze Menge auch getan sein." Kroll und seine Mitstreiter wollen nun verstärkt Politiker ansprechen, damit sie EU-weit diese Gefahrenpunkte entschärfen, auch Geld bereit stellen für sichere Stromleitungen, damit Störche störungsfrei und zahlreich zurückkehren können.

Späte Rückkehr beeinflusst Bruterfolg

In diesem Jahr sind viele Störche zwei Wochen später, erst Mitte April, nach Mecklenburg-Vorpommern zurückgekehrt. Das hat Einfluss auf den Bruterfolg. Kommen die Tiere früher zurück, profitieren sie noch von der feuchten Landschaft während der Aufzucht ihrer Jungen. Sie finden noch ausreichend Regenwürmer. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt aber, dass es ab Mai sehr trocken ist. Je später die Störche zurückkehren, um so weniger Eier legen sie, sie spüren instinktiv, dass ihre Brutzeit kürzer und schwieriger ist als gewöhnlich. Am häufigsten zählten Naturschützer zwei Jungtiere im Nest, üblicherweise sind es drei, und nicht alle haben in diesem Jahr überlebt.

Nahrungsmangel während der Aufzucht

Viele Jungstörche sind im Horst verendet oder wurden von den Elterntieren aus dem Nest geworfen, weil es eben zu trocken und nicht ausreichend Nahrung vorhanden war. Die Storchenschützer zählten landesweit rund 940 Jungtiere, die wirklich ausgeflogen sind, also ihren Horst verlassen haben. Das ist ein durchschnittlicher Bruterfolg von 1,4 Jungvögeln pro Horstpaar. "Aber 2,0 ist in der Forschung der Wert, der gebraucht wird, damit sich der Bestand aus eigener Kraft erhalten kann", so noch einmal Stefan Kroll von der Landesarbeitsgemeinschaft zum Schutz der Weißstörche.

Kuriosität in Testorf

Üblicherweise brüten Jungstörche nicht in dem Nest, in dem sie selbst groß geworden sind. Es ist auch nicht üblich, dass sie in die Region zurückkehren. Aber im Horst in Testorf Ausbau im Landkreis Ludwigslust-Parchim war in diesem Jahr alles anders. Ein Jungstorch kehrte genau dorthin zurück, wo er selbst 2019 geschlüpft war. Stefan Kroll vermutet, dass dessen Elterntiere ausgefallen sind. Offen ist, ob sie woandershin gezogen oder auf ihrem Weg zurück verunglückt sind.

Hoffnung für das nächste Jahr

Die Storchenschützer hoffen auf ein besseres Brutjahr 2023, damit sich der Weißstorchbestand hierzulande endlich erholen kann. Dafür müsste es in den entscheidenden Monaten April, Mai, Juni und Juli immer wieder regnen und das überall, damit ausreichend Regenwürmer aus der Erde gepickt werden können. „Das würde den Störchen schon sehr viel helfen“, betont Stefan Kroll. Und er hofft, dass die Europäische Union schnellstmöglich in sichere Stromleitungen investiert.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 08.10.2022 | 07:00 Uhr

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