Wohngebäude der SAGA. © picture alliance/dpa Foto: Daniel Reinhardt

Kommentar: Gut, dass die Latte beim Wohnungsbau weiter hoch liegt

Stand: 12.10.2022 19:07 Uhr

Das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" hat am Mittwoch mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz (beide SPD) einen Maßnahmenkatalog präsentiert: Das Ziel der Ampel-Koalition, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, bleibt demnach bestehen. Aber kann das auch wirklich funktionieren?

Ein Kommentar von Oliver Neuroth, Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio

187 Maßnahmen auf 65 Seiten: Das Konzeptpapier des "Bündnisses bezahlbarer Wohnraum“ kann sich vom Umfang her sehen lassen. Und die Tatsache, dass 35 Verbände und Organisationen diese Liste unterschrieben haben, zeigt: Alle Beteiligten wissen, wie ernst es um das Thema Wohnen steht. Dass dringend mehr Wohnraum entstehen muss - und zwar kostengünstig und klimaneutral. In großen Krisen rückt man zusammen - Bauindustrie und Politik, Gewerkschaften und Verbände - das ist ein gutes Zeichen.

Zuständig beim Wohnungsbau sind die Länder

Niedrigere Steuern beim Wohnungskauf, schnellere Genehmigungsverfahren bei Neubauten, mehr Digitalisierung - das klingt auch erst mal bestens. Aber jetzt kommt das große "Aber": Kanzler Scholz und Bauministerin Geywitz können in dem Bereich nur Forderungen aussprechen. Zuständig sind die Bundesländer. Und das ist der Knackpunkt. Die Bundesregierung schmückt sich mit einem schicken Konzeptpapier, bei dessen Umsetzung sie in den entscheidenden Punkten nichts ausrichten kann. Erst wenn die 16 Länder dem Katalog zustimmen würden, wäre er ein großer Wurf.

Digitalisierung von Bauanträgen ist eine Chance

Oder wenn der Bund einen noch radikaleren Schritt gegangen wäre und zum Beispiel die Digitalisierung von Bauanträgen selbst in die Hand genommen hätte. Damit hätte er den Ländern Kompetenzen entzogen, aber das Tempo deutlich gesteigert. Warum auch soll ein Bauantrag in Stuttgart andere Wege geht als ein Antrag in Leipzig? Warum soll es bei dem einen vielleicht digitaler und schneller gehen als bei dem anderen?

Sanierung bestehender Gebäude ist ebenfalls wichtig

Dazu kommt: In dem Konzeptpapier geht es fast ausschließlich um den Neubau. Aber es gibt in Deutschland auch Tausende alte Gebäude, von denen etliche leer stehen und die saniert werden müssten. Das ist in der Regel ökologischer als neu zu bauen. Bauministerin Geywitz bringt zwar das "Aufstocken" ins Gespräch, also zusätzliche Stockwerke für schon existierende Mehrfamilienhäuser, doch dürfte das eher ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Bundesregierung setzt auf die Zukunft - richtig so

Die Bundesregierung weiß, dass in diesem Jahr keine 400.000 neuen Wohnungen gebaut werden. Sie hätte das große Ziel öffentlich begraben können - mit dem Argument, dass durch Krieg und Wirtschaftsabschwung die Rahmenbedingungen zu schwierig geworden sind. Doch es ist richtig, dass Kanzler Scholz und Bauministerin Geywitz an der 400.000er-Marke festhalten - dass die Latte hoch bleibt und der Wille da ist, das Ziel in Zukunft zu erreichen.

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Kanzler Scholz und Bauministerin Geywitz sitzen bei einem Treffen zum Thema Wohnungsbau mit anderen Menschen an einem großen runden Tisch. © dpa bildfunk/AP/POOL Foto: Markus Schreiber

Kanzler Scholz hält an Wohnungsbau-Ziel fest

Es wurde ein Maßnahmenkatalog vereinbart und Ergebnisse des "Bündnisses bezahlbarer Wohnraum" vorgestellt. In der Branche halten viele das Ziel der Regierung für unrealistisch. Mehr bei tagesschau.de. extern

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NDR Info | Kommentar | 12.10.2022 | 19:35 Uhr

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