Kommentar: Bei den Republikanern könnte es Machtkämpfe geben
Bei den Kongress-Zwischenwahlen in den USA haben die Demokraten besser abgeschnitten als erwartet. Der vorhergesagte Erdrutsch-Sieg der Republikaner ist ausgeblieben. Wo steht Ex-Präsident Donald Trump nun mit seinem Vorhaben, Joe Biden aus dem Amt zu heben?
Ein Kommentar von Sebastian Hesse, ARD-Korrespondent in Washington
Die Champagnerflaschen waren in Mar-a-Lago zweifellos kaltgestellt. Allein: Das Knallen der Korken dürfte deutlich gedämpfter geklungen haben als geplant.
Donald Trumps republikanische Partei kann Siege verbuchen, aber keinen Triumph. Die vielbeschworene "rote Welle" ist ausgeblieben. Der Denkzettel an die Adresse Joe Bidens fiel glimpflicher aus als erwartet. Und das geht vor allem mit dem Mann nach Haus, der sich von dieser Wahl erheblichen Rückenwind für sein Comeback versprochen hatte.
Trumps "Lieblinge" zündeten nicht wie erhofft
Das Gesicht von Donald Trump dürfte in der Wahlnacht länger und länger geworden sein. Die handverlesenen Loyalen, die er mit großem Pomp ins Rennen geschickt hatte, zündeten nicht wie erhofft. Fernseharzt Dr. Oz scheiterte in Pennsylvania, die republikanischen Gouverneurs-Anwärter in Michigan, Pennsylvania, Wisconsin und Maryland fielen durch. Womöglich auch die Trump-loyalen Herschel Walker in Georgia und Carry Lake in Arizona.
DeSantis-Triumph dürfte Trump die Laune verhagelt haben
Durchmarsch sieht anders aus. Vor allem aber gab es republikanische Siege, die die Partei entzücken, Trump aber die Laune verhagelt haben dürften.
In Georgia gewann souverän Brian Kemp, der sich vor zwei Jahren weigerte, die Präsidentschaftswahl zugunsten Trumps zu drehen und deshalb von Trump politisch vernichtet werden sollte. Und in Florida fuhr Ron DeSantis den fulminantesten Wahlsieg des Abends ein. Mit seiner triumphalen Bestätigung als Gouverneur. Der DeSantis, der als Trumps schärfster Konkurrent im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur für 2024 gehandelt wird.
Auch Mike Pence lag richtig
Offenbar gibt es in der republikanischen Partei einen Appetit auf Trumpismus ohne Trump. Nicht nur DeSantis dürfte das Ergebnis als Ermutigung verstehen, Trump tatsächlich bei den Vorwahlen den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Auch Mike Pence hatte auf das richtige Pferd gesetzt. Er unterstützte im Wahlkampf demonstrativ den Trump-Gegenspieler Brian Kemp.
Ist Trump wirklich ein Mann für die Zukunft?
Und so gehen die Republikaner einerseits durch ihre Erfolge gestärkt aus dieser Wahl hervor, aber auch irritiert. Warum blieb ihr Vorsprung unter den Erwartungen? Und ist Trump mit seiner Fixiertheit auf die Vergangenheit - die verlorene Wahl von 2020 - wirklich ein Mann der Zukunft?
Die Oppositionsarbeit der GOP wird einfacher, das Regieren für Biden schwieriger. Doch zuvorderst müssen sich die Republikaner auf innerparteiliche Machtkämpfe gefasst machen. Trumps Dünnhäutigkeit im Umgang mit DeSantis, den er als Ziehkind begreift, spricht Bände. Der starke Mann von Florida dürfte den Dolch schon im Gewande tragen.
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