Stand: 07.05.2009 15:09 Uhr

Dirty Dozen II - Zwölf legendäre Klavier Trios: Keith Jarrett

von Henry Altmann
Keith Jarrett, Madrid 2006
Der Jazz-Pianist Keith Jarrett

Standards sind für Jazzmusiker Standard. Um zu lernen, arbeitet sich der Nachwuchs durch diese Stücke, um davon zu leben, hat sie der Profi im Programm. Und mancher schaffte es sogar, dem "All American Songbook", also jener Ansammlung aus Musicalsongs, Jazztunes, Filmmusik und Pophits, ein neues Stück hinzuzufügen. Keith Jarrett, Ende der 60er bei Miles Davis bekannt geworden, erreichte 1975 Weltruhm mit seinem "Köln Concert", dessen schwarz-weiße Plattenhülle zur ästhetischen Grundausstattung einer Alternativ-Wohnung gehörte, wie das Frank-Zappa-Poster an der Toiletten- und das von Che Guevara an der Eingangstür. Und dennoch (oder deswegen?) hatte Jarrett kurz darauf eine Schaffenskrise, aus der ihn ECM-Labelchef Manfred Eicher mit dem Vorschlag einer Standard-Aufnahme erlöste.

"Nicht immer Türen eintreten" 

"Das Material war so verdammt gut. Wieso ignorierte das bloß jeder und spielte schlaues Zeug, das gleich klang? Jazzmusiker müssen nicht immer Türen eintreten, in den Zimmern ist auch Musik!" Soweit Keith Jarrett. Mit Schlagzeuger Jack DeJohnette und Bassist Gary Peacock schaffte er es im Januar 1983 in eineinhalb Tagen Material für gleich drei Alben aufzunehmen, ungeprobt, ohne Arrangements, alles aus dem Ärmel langjähriger Könnerschaft geschüttelt. Jarrett wollte wiederbeleben, was einst Standards setzte und dann zu einer standardisierten Wiedergabe degenerierte, den Stücken unter die Haut kriechen. 1983 eine radikale Wendung, war, von heute aus gesehen, das Avantgardistische daran, die Vorwegnahme jenes Neo-Konservatismus, den Wynford Marsalis in den 90ern institutionalisierte. "Standards, Volume I" und seine beiden Nachfolger wurden Erfolge, Beginn einer nicht enden wollenden Reihe von Veröffentlichungen nämlicher Art, die bislang 28 Tonträger in 18 Editionen umfasst.

"Weglassen!"

Wenn das Trio heute eines seiner maximal 20 jährlichen Konzerte gibt, gehen die drei Senioren einfach auf die Bühne, ohne Setlist und Plan, richten sich nach Tagesform, dem Klang des Konzertsaals; auch Resultat dessen, dass Jarrett in den späten 90er-Jahren durch ein Chronisches Erschöpfungssyndrom lahmgelegt wurde: "Wir können komplett out oder etwas total Bekanntes spielen, wir können in time oder frei spielen. Während der zwei Jahre, die ich nicht spielen konnte, hörte ich mir das Zeug an, das ich bislang aufgenommen hatte, und vieles davon gefiel mir nicht, nicht die langen Intros, nicht, wenn ich mich zu sehr in die Tasten hineinwühlte. Dann öffnet sich das Klavier nicht. Ich wollte ins Herz der Dinge gelangen, und dafür musste ich etwas weglassen. Das macht den gereiften Künstler aus."

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NDR Info | Jazz | 07.05.2009 | 22:05 Uhr

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