Staatsschutzprozess gegen mutmaßlichen PKK-Funktionär
Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg hat am Freitag der Prozess gegen ein mutmaßliches führendes Mitglied der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK begonnen.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem 49-jährigen Mann die Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung vor. Der türkische Staatsangehörige soll laut Anklage von September 2018 bis Juni 2020 als hauptamtlicher Kader der PKK in Norddeutschland und in Nordrhein-Westfalen tätig gewesen sein. Für die Hauptverhandlung sind bislang 15 Termine bis zum 21. Dezember angesetzt. Die Bundesanwaltschaft stuft die PKK als ausländische terroristische Vereinigung ein, die für zahlreiche Attentate und Anschläge in der Türkei verantwortlich ist. Schon seit 1993 unterliegt sie in Deutschland einem Betätigungsverbot.
Festnahme in Zypern
Der Angeklagte war im März in Zypern festgenommen und im Juni nach Deutschland überstellt worden. Seither befindet er sich in Untersuchungshaft. Der 49-Jährige habe für die PKK die typischen Leitungsaufgaben eines Gebietsverantwortlichen und Regionsverantwortlichen wahrgenommen - insbesondere die Koordination der organisatorischen, personellen und propagandistischen Angelegenheiten, so die Bundesanwaltschaft. Außerdem soll er in Nordrhein-Westfalen die Sammlung von Spenden beaufsichtigt haben.
Zuschauer applaudieren
Als der 49-Jährige aus in den Gerichtssaal geführt wurde, applaudierten Zuschauerinnen und Zuschauer, die den Angeklagten unterstützen. Es waren so viele gekommen, dass nicht alle im Gerichtssaal Platz fanden. Auch ein Parlamentsabgeordneter aus Zypern war da, um den Prozess zu beobachten. Denn der Angeklagte hat in Zypern politisches Asyl - trotzdem wurde er auf Betreiben der Bundesanwaltschaft im Juni nach Hamburg ausgeliefert, damit ihm in der Hansestadt der Prozess gemacht werden kann.
Angeklagter soll Regionalverantwortlicher gewesen sein
Laut Anklage war der Mann zunächst im PKK-Gebiet Hamburg und in der aus den Gebieten Hamburg, Bremen und Kiel bestehenden PKK-Region Hamburg tätig. Später habe er die Aufgaben dann im PKK-Gebiet Köln und der aus den Gebieten Köln, Bonn, Düsseldorf, Duisburg und Essen bestehenden PKK-Region Nordrhein übernommen. Als Regionalverantwortlicher habe er den jeweiligen Gebietsverantwortlichen Anweisungen erteilt und selbst an die PKK-Europaführung berichtet. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes werden PKK-Führungsmitglieder in Deutschland in der Regel nach einem Rotationsprinzip jeweils nur für einige Monate bis zu einem Jahr eingesetzt.
Anwältin spricht von politischem Verfahren
Laut seiner Anwältin waren die Ermittlungen gegen den Angeklagten in Deutschland schon lange abgeschlossen. Vor zwei Jahren aber habe der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan Druck auf die NATO-Länder gemacht, entschlossener gegen Kurdinnen und Kurden vorzugehen. Erst dann habe die Bundesanwaltschaft plötzlich einen internationalen Haftbefehl gegen den Angeklagten beantragt. Auf Druck eines "autokratischen Systems mit diktatorischen Zügen", sagte die Anwältin. Sie sprach von einem politischen Verfahren. Ihr Mandant habe als "politischer Kurde" bereits seit den 1990er-Jahren "ein langes Verfolgungsschicksal in der Türkei" erlitten und habe dort mehr als elf Jahre im Gefängnis gesessen.
Verfassungsschutz: Weiterhin Aktivitäten mit PKK-Hintergrund
Der Hamburger Verfassungsschutzbericht verzeichnete auch im vergangenen Jahr Aktivitäten mit PKK-Hintergrund in der Hansestadt, darunter Versammlungen und Aufzüge, bei denen unter anderem für die Freilassung des PKK-Führers Abdullah Öcalan sowie gegen militärische Angriffe der Türkei auf Stellungen der PKK protestiert wurde. Für Hamburg rechnete der Verfassungsschutz der PKK im vergangenen Jahr - ebenso wie im Vorjahr - ein Potenzial von rund 500 Personen zu.
