Hamburg verbietet weitere pro-palästinensische Demos

Stand: 16.10.2023 20:56 Uhr

Es ist ein großer Einschnitt in die Versammlungsfreiheit: Die Hamburger Versammlungsbehörde hat sämtliche pro-palästinensischen Demonstrationen in der Stadt verboten - und zwar bis einschließlich Mittwoch.

Per Allgemeinverfügung hat die Versammlungsbehörde, die zur Polizei gehört, am Sonntag alle pro-palästinensischen Proteste in der Stadt untersagt - "also Demos, die inhaltlich einen Bezug zur Unterstützung der Hamas oder deren Angriffe auf das Staatsgebiet Israels aufweisen". Ursprünglich waren für Dienstag und Mittwoch entsprechende Veranstaltungen angemeldet, die nun nicht stattfinden dürfen. Am Dienstag sollte in Altona demonstriert werden, am Mittwoch vor dem Hamburger Rathaus. Dort will die Polizei Präsenz zeigen und jede Form der Versammlung sofort auflösen.

Polizei hat Sicherheitsbedenken

Die Behörde begründete das dreitägige Verbot damit, dass sowohl die öffentliche Sicherheit als auch das Wohl einzelner durch die pro-palästinensischen Demonstrationen gefährdet seien. Vor allem für den Beginn der geplanten israelischen Bodenoffensive rechnet die Polizei mit emotional aufgeladenen Protesten der muslimischen Bevölkerung. Sollte es zu dieser Offensive im Gazastreifen kommen, sei es denkbar das Verbot von pro-palästinensischen Versammlungen zu verlängern, sagte ein Polizeisprecher NDR 90,3 am Montag.

Behörde: Straftaten wären sehr wahrscheinlich

Für die Gefahrenprognose hat sich die Versammlungsbehörde angeschaut, wie andere pro-palästinensische Kundgebungen verlaufen sind. Die aggressive Stimmung am vergangenen Freitagabend am Hamburger Hauptbahnhof sei mit in die Bewertung eingeflossen. Dort hatten trotz Verbot rund 230 Menschen versammelt. Aber auch Straftaten, die am Sonnabend in Frankfurt bei einer Versammlung begangen wurden. In der Gesamtschau kommt die Behörde zu dem Schluss, dass Straftaten bei künftigen Demos sehr wahrscheinlich wären. Dazu gehören zum Beispiel antisemitische Parolen, das Zeigen von verbotenen Symbolen, aber auch Flaschenwürfe auf die Polizei.

Aus dem Polizeipräsidium hieß es am Montag zudem, dass sich die gesamte Disposition von Einsatzkräften in diesen Tagen an den Entwicklungen im Nahost-Konflikt orientiere. Jüdische Einrichtungen stünden in Hamburg ohnehin unter hohem Schutz, dennoch seien dafür jetzt zusätzliche Beamtinnen und Beamte im Einsatz.

Es drohen Geldstrafe oder Freiheitsentzug

Wer in Hamburg gegen das Demonstrationsverbot verstößt, kann laut der Verfügung eine Geldstrafe von bis zu 500 Euro bekommen. Wer zu einer pro-palästinensischen Demonstration aufruft oder sie durchführt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe rechnen.

Linke und AfD üben Kritik

Das bis Mittwoch geltende Verbot aller pro-palästinensischen Kundgebungen wird von der Hamburgischen Bürgerschaft weitgehend unterstützt - nur von der Linken und der AfD kommt Kritik. Pauschale Verbote seien falsch, hieß es in einer Erklärung der Linksfraktion, die Versammlungsfreiheit sei schließlich ein Grundrecht. Deshalb müsse jede Demo-Anmeldung einzeln geprüft werden. Die Linksfraktion sagte aber auch unmissverständlich: Wer mit dem Terror sympathisiert, der überschreitet die Grenzen der Versammlungsfreiheit - Antisemitismus muss entschieden bekämpft werden.

Auch die AfD-Fraktion, die in der vergangenen Woche ein hartes Durchgreifen gefordert hatte, kritisierte die Verbotsverfügung der Polizei: "Es gilt, alle Demonstrationsanmeldungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und dann zu entscheiden. Politisch unerwünschte, missliebige Demonstration dürfen nicht per se verboten werden", sagte Fraktionschef Dirk Nockemann.

Unterstützung von SPD, Grünen und CDU

Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen unterstützten das präventive Demonstrationsverbot vorbehaltlos. "Als Stadt und Gesellschaft akzeptieren wir auf unseren Straßen weder antisemitische Propaganda noch das Feiern der Morde der Hamas", erklärte der innenpolitische Sprecher der SPD, Sören Schumacher. Deutschland habe eine besondere historische Verantwortung für den Schutz des jüdischen Lebens und den Fortbestand des Staates Israel. "Auch dieser Verantwortung wird ein Verbot der anti-jüdischen Demonstrationen gerecht", so Schumacher weiter.

Die Sprecherin für Justiz und Verfassung der Grünen-Fraktion, Lena Zagst, erklärte: "Wenn Pro-Palästina-Demonstrationen dazu genutzt werden, den Terror der Hamas und das unermessliche Leid so vieler Menschen zu relativieren, müssen wir uns dem entgegenstellen." Die Versammlungsfreiheit sei grundgesetzlich geschützt. Allerdings finde sie ihre Grenze in der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

CDU-Fraktionschef Dennis Thering hält die Allgemeinverfügung der Hamburger Polizei für einen notwendigen und richtigen Schritt. "In anderen Städten konnte man bereits sehen, dass mit volksverhetzenden und antisemitischen Parolen, Gewaltausbrüchen und Gewaltverherrlichung auf solchen Pro-Palästina-Demos zu rechnen ist und dafür ist in unserer Stadt absolut kein Platz", meinte Thering. Der Oppositionsführer geht davon aus, dass die Allgemeinverfügung mehrmals verlängert werden muss.

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