Stand: 20.05.2019 14:44 Uhr

Neue Staatshilfen für Kreuzfahrtschiffe

von Stefan Buchen

Wenn's feierlich wird, wollen politische Entscheidungsträger gern zeigen, dass sie sich des Ernstes der Klimasituation bewusst sind. Dann zeigen sie sich offen für die Einführung einer CO2-Steuer. Sie betonen, hart an einem Klimaschutzgesetz zu arbeiten, mit dem die einzelnen Sektoren der Wirtschaft gezwungen werden sollen, ihren Treibhausgasausstoß kontinuierlich und nachprüfbar zu verringern. Und in Sternstunden, in denen der ganz große Wurf gewagt wird, schlagen manche Politiker sogar die Verhängung einer Steuer auf Flugbenzin vor. Wirtschaftswachstum müsse nachhaltig sein. Der Schaden für die Umwelt müsse einen Preis haben. Es müsse das Verursacherprinzip gelten, heißt es dann zur Begründung.

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Teure Landstromanlage wird kaum genutzt

All das ist bis heute reine Theorie geblieben. Gemessen an diesen großen klimapolitischen Hebeln ist die Sache mit dem Landstrom für Kreuzfahrtschiffe eher eine Lappalie. Aber selbst bei diesem verhältnismäßig kleinen Thema schafft es die Politik nicht, die Wirtschaftsunternehmen, in diesem Fall die Kreuzfahrtreedereien, zur Übernahme der Kosten für ihr umwelt- und klimaschädliches Verhalten zu verpflichten.

Eine Landstromanlage mit einer Stromverbindung zu einem Kreuzfahrtschiff in Hamburg. © dpa Foto: Christian Charisius
Die "AIDAsol" ist das einzige Kreuzfahrtschiff, das die Landstromanlage in Hamburg nutzt - und auch das immer nur für kurze Zeit.

Am Kreuzfahrtterminal Hamburg-Altona steht seit 2016 eine Landstromanlage. Aber nur eines von 40 Kreuzfahrtschiffen, die den Hamburger Hafen anlaufen, nutzt sie. Die übrigen 39 erzeugen während ihrer Liegezeiten im Hafen den Strom, der für den Hotelbetrieb an Bord benötigt wird, mit Dieselgeneratoren und in ganz wenigen Fällen mit Flüssiggas. Während einer Liegezeit von zehn Stunden verbraucht ein mittleres Kreuzfahrtschiff rund 50 Tonnen Diesel für die Stromproduktion. Das entspricht etwa dem Tagesverbrauch von 25.000 Dieselautos, die im Durchschnitt rund 30 Kilometer zurücklegen. Dabei stößt ein Schiff allerdings ein Vielfaches der Stickoxide und Feinstaubpartikel der 25.000 Dieselautos aus, weil im Schiff beim Verbrennen schlechter gefiltert wird als in den Fahrzeugen.

Das Ergebnis: während der Liegezeiten in den Häfen von Hamburg, Kiel, Rostock und Bremerhaven belasten Kreuzfahrtschiffe Umwelt und Klima zusätzlich, und das in erheblichem Umfang.

Landstromnutzung verpflichtend einführen?

Was könnte man dagegen tun? Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand: die Regierungen könnten den Reedereien vorschreiben, Landstrom zu nutzen. Die verantwortlichen Politiker könnten den Unternehmen verbieten, für den Hotelbetrieb an Bord Strom mit dreckigem Marinediesel herzustellen. Aber was passiert in der Realität? Hamburg hat zwar für zehn Millionen Euro Steuergeld eine Landstromanlage gebaut. Kiel hat vor zwei Wochen eine Landstromanlage für Fährschiffe eingeweiht und möchte demnächst eine für Kreuzfahrtschiffe errichten. Rostock hat ähnliche Pläne.

Aber für die Reedereien ist es keineswegs selbstverständlich, den angebotenen Strom auch zu nutzen, wie die Erfahrung in Hamburg lehrt. Die Kreuzfahrtunternehmen sagen, der Landstrom sei ihnen zu teuer. Mit Diesel lässt sich der Strom nun mal für ein Drittel der Unkosten herstellen. Der Preis für Umwelt und Klima scheint nachrangig zu sein. Eine skandalöse Situation.

Vergünstigter Strom auf Kosten der Bürger

Peter Tschentscher (SPD), Hamburgs Erster Bürgermeister, spricht bei der Feier zur Eröffnung der Wärmeleitung von Aurubis in die HafenCity. © picture alliance/dpa Foto: Axel Heimken
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) möchte den Strom für die Reedereien staatlich subventionieren.

Im September 2018 hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit dem Thema befasst. Die Regierungen der norddeutschen Länder sind daran beteiligt. Eigentlich sollte das Ergebnis bei der Nationalen Maritimen Konferenz am Mittwoch in Friedrichshafen am Bodensee verkündet werden. Aber Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte es offenbar eilig, wollte nicht so lange warten. Bereits vergangene Woche posaunte er über die "Deutsche Presse-Agentur" die Lösung hinaus. Die Kreuzfahrtreedereien sollen den Landstrom preiswerter bekommen. Sie sollen von 80 Prozent der EEG-Umlage, mit der der Ausbau erneuerbarer Energien finanziert wird, befreit werden. Pro Kilowattstunde Strom sollen sie laut Tschentscher nicht mehr 6,405 Cent, sondern nur noch 1,281 Cent Umlage bezahlen. Damit werde der Landstrom für die Reedereien "wirtschaftlicher", so Tschentscher. Das komme Umwelt und Klima zu Gute. Und wer bezahlt in dieser "Lösung" die übrigen 5,124 Cent pro Kilowattstunde? Die Antwort ist klar: die Bürger.

Staat setzt auf Anreize

Panorama 3 hat überschlagen, welchen Gesamtbetrag die Reedereien so auf den Staat abwälzen würden, wenn alle Kreuzfahrtschiffe, die gegenwärtig norddeutsche Häfen anlaufen, künftig Landstrom bezögen. Dieses Jahr werden in Hamburg, Kiel, Rostock und Bremerhaven insgesamt rund 700 Schiffe erwartet. Bei einer zehnstündigen Liegezeit benötigt ein Schiff mit 2.000 Passagieren rund 45.000 Kilowattstunden Strom. Das macht insgesamt etwa zwei Millionen Euro EEG-Umlage. Dieser Betrag dürfte die profitablen Kreuzfahrtunternehmen nicht überfordern. Dennoch soll der Staat laut Tschentscher dann 1,6 Millionen Euro übernehmen. Als Anreiz sozusagen. Verpflichten möchte der Staat die Reedereien nicht zur Landstromnutzung. "Der Erste Bürgermeister ist nicht für Zwang", erläutert Tschentschers Sprecher Marcel Schweitzer im Gespräch mit Panorama 3. Die Reedereien könnten also auch künftig an der Diesel-Variante festhalten, wenn diese trotz Staatshilfe für den Landstrom billiger sein wird.

Die staatliche Subvention für die Reedereien, damit diese bitte ökologischer werden, wird also am lautesten von Hamburg propagiert. Peter Tschentscher regiert mit einem rot-grünen Senat. Oppositionspolitiker Norbert Hackbusch (Die Linke), der sich intensiv mit den Schattenseiten des Kreuzfahrtbooms beschäftigt hat, schüttelt den Kopf. "Die Reedereien sind hochprofitable Unternehmen. Sie müssen den Strom in voller Höhe selbst bezahlen," sagt er und bekräftigt: "Der Staat muss ihnen das vorschreiben."

Die Freiheit, das Schmutzige zu tun

Norbert Hackbusch © NDR Foto: Screenshot
Norbert Hackbusch (Die Linke) kritisiert die geplanten staatlichen Subventionen für Reedereien.

Wie's aussieht, wird es so nicht kommen. Auch der Maritime Koordinator der Bundesregierung Norbert Brackmann (CDU) hat schon eine treffliche Begründung für die Subventionierung des Kreuzfahrtstroms geliefert. Im Interview mit dem NDR Kiel verweist er auf die Deutsche Bahn. Diese zahlt auch nur 20 Prozent der EEG-Umlage. Die Bahn auf einer Stufe mit Kreuzfahrtschiffen? Linken-Politiker Norbert Hackbusch hält den Vergleich für absurd. "Die Bahn erfüllt eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Sie holt ökologisch schädlichen Verkehr von der Straße." Die Kreuzfahrtindustrie verursache hingegen zusätzlichen Verkehr, der zudem noch ökologisch schädlich sei, so Hackbusch.

Die Kreuzfahrtbranche ist mit den politischen Entscheidungsträgern zufrieden, wie Panorama 3 erfuhr. In einem Telefonat mit der Redaktion sagte Hansjörg Kunze, Sprecher des führenden Anbieters AIDA: "Wir begrüßen die Ankündigung des Hamburger Ersten Bürgermeisters, die EEG-Umlage für Reedereien auf 20 Prozent zu senken." Die Sprecherin des Wettbewerbers TUI Cruises, Godja Sönnichsen, teilte auf Anfrage von Panorama 3 mit, dass die TUI-Flotte ab 2020 Landstrom nutzen werde. Wie hoch der Anteil von Landstrom im Energiemix sein wird, sagt sie nicht. Die Ankündigung ist unverbindlich. Die Politik gewährt so der Kreuzfahrtindustrie nicht nur Subventionen, sondern auch die Freiheit, weiterhin das Schmutzige zu tun.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 21.05.2019 | 21:15 Uhr

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