Stand: 06.02.2017 12:00 Uhr

Ruder-Trainer Adam: Eine streitbare Legende

von Andreas Bellinger, NDR.de

Doch es gibt auch weniger ruhmreiche Episoden in der Biografie des Autodidakten, der wie Emil Beck (Fechten) oder Gustav Kilian (Bahnrad) eine komplette Sportart geprägt hat. Über Krieg und Nationalsozialismus mochte der Unteroffizier nicht sprechen; ein Granatsplitter hatte ihm den linken Unterarm zertrümmert und den Dünndarm teilweise zerrissen. Bei Hitlers Machtergreifung war Adam 20 Jahre alt, beim Ausbruch des Krieges 27. Ein Jahr blieb der Student in Münster Mitglied in der SA, unterrichtete an der Nationalpolitischen Lehranstalt (Napola), und das Parteibuch der NSDAP hatte er auch. Trotzdem überstand er am 11. November 1947 den Entnazifizierungsausschuss in Itzehoe und durfte in den Schuldienst.

Fragwürdige Haltung zum Doping

Bis heute umstritten ist Adams Rolle und Haltung beim Umgang mit Doping. Als leidenschaftlicher Pädagoge vertrat er die Auffassung, dass "jeder Athlet ein Recht auf das beste Training und das beste Material hat" - was durchaus zweideutig zu interpretieren ist. In seinem Buch über Sinn und Unsinn des Leistungssports von 1975 wird Adam deutlicher: "Als Trainer bin ich der Ansicht, dass die Entscheidung, ob ein Athlet seine physiologischen Leistungsvoraussetzungen etwa durch Anabolika verbessern will, nur er selbst treffen kann. Funktionäre, Sportmediziner, Trainer haben die Pflicht zur Aufklärung über die Wirkung, aber nicht das Recht der Bevormundung."

Historiker: Freifahrtschein für Athleten

Der Sporthistoriker Erik Eggers nennt es problematisch, dass sich Adam so geäußert und den Athleten quasi einen Freifahrtschein ausgestellt hat. Vorstellen könne er sich, "dass Adam mit solchen Stoffen experimentiert hat - oder die Athleten damit hat experimentieren lassen". Beweise gibt es keine. Verbrieft ist, dass keiner der von Adam trainierten Athleten jemals des Dopings überführt wurde. Solche Manipulationen seien weder für Adam noch für ihn als verantwortlichen Arzt jemals ein Thema gewesen, beteuert Nowacki im NDR Sportclub. "Seine Haltung", so glaubt Gisela Adam, "war: Soll doch jeder machen, was er will. Wenn er dann tot aus dem Ruderboot oder vom Rad fällt, dann ist es seine Entscheidung gewesen."

Erfolg braucht Aggression

Ruder-Professor Karl Adam mit den Olympiasiegern 1960 © imago Foto:
Karl Adam mit den Olympiasiegern 1960.

Sein Konzept vom mündigen Athleten geriet bisweilen ins Wanken. Dann nämlich, wenn der Erfolg ausblieb oder in Gefahr geriet. Dann trickste Adam - und aus dem friedliebenden Pädagogen und Philanthropen konnte eine Art "Hassprediger" werden: "Sport ist Kampf - und Kampf lässt sich nur durchführen auf der psychologischen Grundlage der Aggression. Also auf Grund von Hassgefühlen", sagte Adam: "Und wenn die Hassgefühle nicht vorhanden sind, dann muss man sie erregen - notfalls in der Mannschaft gegen den Trainer. Das habe ich schon mehrfach mit Erfolg praktiziert."

Früher Tod beim Dauerlauf

Nach Platz fünf des Deutschland-Achters bei den Olympischen Spielen in München 1972 trat Adam zurück. Die Dominanz der deutschen Ruderer war dahin, was Adams Kritiker auch ihm anlasteten, weil er seit jeher allzu sorglos aus der Ruderschule geplaudert und andere Nationen damit stark gemacht habe. Gesundheitlich schwer angeschlagen, zog sich der Ratzeburger Ehrenbürger (1962), Ehrendoktor der Uni Karlsruhe (1972) und Träger des Bundesverdienstkreuzes (1972) im Februar 1976 auch aus der Leitung der Ruderakademie zurück. Die Trainer-Legende Karl Adam starb am 18. Juni 1976 mit 64 Jahren bei einem vom Arzt verordneten 4.000-m-Lauf an Herzversagen - einen Monat vor den Olympischen Spielen in Montréal, wo der Deutschland-Achter mit Platz vier abermals eine Medaille verpasste. Gold ging an den Achter aus der DDR.

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 05.02.2017 | 23:35 Uhr

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