Stand: 23.03.2019 20:44 Uhr

Hannover 96: Kind-Gegner in Aufsichtsrat gewählt

Martin Kind bei der Mitgliederversammlung von Hannover 96 © Oliver Vosshage/Hannover 96 e.V./dpa Foto: Oliver Vosshage
Bei der Aufsichtsratswahl von Hannover 96 haben sich die Gegner von Martin Kind durchgesetzt.

Die kleine Revolution bei Hannover 96 ist perfekt. Bei der Mitgliederversammlung wurden am Sonnabend alle fünf Kandidaten der Oppositionsgruppe "Pro Verein 1896" inklusive des früheren 96-Kapitäns Carsten Linke in den neuen fünfköpfigen Aufsichtsrat des eingetragenen Vereins gewählt. Eine herbe Niederlage für den scheidenden Präsidenten Martin Kind, die zahlreiche Mitglieder mit Sprechchören wie im Stadion feierten. Linke (1.444 Stimmen), Lasse Gutsch (1.338), Ralf Nestler (1.253), Nathalie Wartmann (1.281) und Jens Boldt (1.209) wurden von den 2.087 stimmberechtigten Mitgliedern in das Kontrollgremium des Gesamtvereins gewählt.

Linke: "Sind sehr froh, so deutlich gewonnen zu haben"

"Wir sind ein gutes Team, das haben wir heute eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Wir sind angetreten, um für mehr Transparenz zu sorgen", sagte Linke dem NDR und fügt hinzu: "Wir sind sehr froh, auch so deutlich gewonnen zu haben." Die Kind-Gegner können mit dieser klaren Mehrheit nun den Nachfolger des langjährigen Vereins-Vorsitzenden einsetzen. Ihr Vorschlag ist der frühere Fanbeauftragte und bisherige Aufsichtsrat Sebastian Kramer.

Kind: "Es ist ein eindeutiges Ergebnis"

"Es ist ein eindeutiges Ergebnis, deshalb herzlichen Glückwunsch. Es war immer klar, das die Szene gut organisiert und mobilisiert ist", sagte Kind: "Das ist ein demokratischer Wahlvorgang." Der 74-Jährige zieht sich nach mehr als 20 Jahren an der Spitze des e.V. zurück. Er bleibt aber Geschäftsführer der ausgegliederten Profifußball-Gesellschaft Hannover 96 GmbH und Co. KGaA und Hauptinvestor. Der Vorstand und der alte Aufsichtsrat des e.V. wurden nicht entlastet.

Was wird aus den Übernahmeplänen?

Stichwort 50+1

Durch die sogenannte 50+1-Regel wird bislang verhindert, dass Investoren mehr als 50 Prozent der Anteile an einem Fußball-Club erwerben können. In anderen Ligen - zum Beispiel in England - gibt es eine solche Regelung nicht. Besonders Hannovers langjähriger Clubpräsident Martin Kind macht sich dafür stark, die Regel zu kippen, um die "Kapitalsituation der Clubs zu verbessern". Die Regelung wurde bisher beibehalten, steht aber permanent in der Diskussion. Befürworter der Regelung kritisieren, dass beim Wegfall der Markt für ausländische Investoren geöffnet werden könnte, die kein sportliches Interesse an einem deutschen Bundesliga-Club haben.

Die Entscheidung der Mitglieder dürfte auch Einfluss auf Kinds Übernahmepläne haben. Bislang galt die Besetzung des Kontrollgremiums als Kind-freundlich. Der 74-Jährige will mithilfe einer Ausnahmegenehmigung von der Investorenregel 50+1 die Mehrheit bei den 96-Fußballern übernehmen. Nachdem die Deutsche Fußball Liga (DFL) seinen Antrag zunächst abgelehnt hatte, steht eine Entscheidung des Ständigen Schiedsgerichts noch aus.

Neue Führung will Rückzug vom 50+1-Antrag prüfen

Die künftige e.V.-Führung will nun überprüfen, ob sie den Antrag wieder zurückziehen kann. "Wir sind an diesem Prozess nicht beteiligt gewesen und werden jetzt versuchen, Informationen von der DFL und dem Schiedsgericht zu bekommen", sagte der designierte Präsident Sebastian Kramer. Der Rückzug des Antrags sei aber eine Möglichkeit.

Kind über die sportliche Situation: "Ich finde es zum Kotzen"

Zu Beginn der Mitgliederversammlung hatte sich Kind mit markigen Worten als Präsident verabschiedet. Der mächtige Unternehmer rechnete schonungslos mit der sportlichen und wirtschaftlichen Situation bei dem abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten ab, für die er mitverantwortlich ist. "Wir sind aktuell dramatisch gefährdet. Und wenn ich meine persönlichen Gefühle äußern darf: Ich finde es zum Kotzen", sagte der 74-Jährige. Wirtschaftlich sei dieses Jahr so desaströs wie die sportliche Situation, so Kind.

"Die KGaA wird das Jahr mit einem Verlust von 18 Millionen Euro abschließen. In der Zweiten Liga käme noch einmal ein Minus von rund 17 Millionen hinzu. Deutlich muss ich aber auch sagen: Wir werden kämpfen, noch den Klassenerhalt zu erreichen, solange es rechnerisch möglich ist." Die Mannschaft von Trainer Thomas Doll war nicht bei der Versammlung erschienen.

"Wir brauchen neue Gesichter"

"Wir brauchen neue Gesichter, wir brauchen neue Ideen, deshalb ist es gut, dass neue Kandidaten zur Verfügung stehen", hatte Kind noch gesagt. Allerdings hätte er sich wohl eher das "Vereins-Team" um Präsidentschaftskandidat Matthias Herter gewünscht. Doch alle fünf Kandidaten des Pro-Kind-Lagers fielen bei der Wahl durch, darunter auch der frühere 96-Kapitän Karsten Surmann. Diese Fraktion machte sich dafür stark, dass die Profifußballer völlig unabhängig vom Mutterverein geführt werden.

Linke: "Demokratie gehört dazu"

Die Kind-Gegner wollen die Trennung zwar nicht aufheben, dem eingetragenen Verein aber möglichst viel Einfluss auf die KGaA zurückgeben. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, dass viele Fans und Mitglieder dem Hörgeräte-Unternehmer vorwerfen, den Verein seit 1997 sehr stark von oben herab geführt und Mitglieder-Meinungen nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. "Wir sind angetreten, um genau das aufrecht zu erhalten, was uns in den letzten 20 Jahren so erfolgreich gemacht hat: das Zwei-Säulen-Modell. Aber es geht auch darum, dass Mitgliederbeschlüsse wieder bindend sind. Demokratie gehört dazu", sagte der Ex-Profi Linke.

 

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 23.03.2019 | 19:30 Uhr

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