VIDEO: Condor-Kapitän Drobar: "Wir werden besser, das motiviert mich" (2 Min)

333 Gegentore: SC Condor 4 - das tapferste Team Norddeutschlands

Stand: 25.03.2024 09:25 Uhr

Die vierte Mannschaft des SC Condor kassiert regelmäßig zweistellige Niederlagen. Nach 22 Partien in der Hamburger Kreisklasse B, der Zehnten Liga, schlagen bereits 333 Gegentore für das sieglose Team zu Buche. Trotz aller Rückschläge sind Stimmung und Moral bei den Farmsenern gut. Ein Besuch bei einem Spiel der wohl tapfersten Fußball-Mannschaft Norddeutschlands.

von Hanno Bode

Die verflixte Technik. Und dazu noch zwei neue Spieler, deren Rückennummern Franziska Fleischmann gerade entfallen sind. Wenige Minuten vor dem Anpfiff der Begegnung bei der Drittvertretung des TSV Duwo 08 sitzt Condors Trainerin auf der Auswechselbank und versucht, auf ihrem Smartphone die Aufstellung ihres Teams ins DFBnet einzutragen. Immerhin kann die 43-Jährige an diesem Sonntagnachmittag elf Kicker im digitalen Spielberichtsbogen vermerken. Das war in dieser Saison nicht immer der Fall. Häufig traten die Farmsener aus Personalnot in Unterzahl an - und waren komplett chancenlos.

Bisherige Rekordpleite: 0:38 bei Stellingen II

So auch am vorvergangenen Wochenende beim Aufstiegskandidaten Barmbek-Uhlenhorst 6. "Wir waren nur sieben. Und dann hat sich auch noch ein Spieler von uns verletzt. Da hat es dann irgendwie auch keinen Sinn mehr gemacht", berichtet Mittelfeldmann Tim Petersen über das Duell mit BU, das beim Stand von 30:0 (!) für die Gastgeber abgebrochen wurde. So blieb den "Raubvögeln", wie die Farmsener wegen des Condors im Vereinswappen gerufen werden, wohl eine neue Rekordpleite erspart.

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Eine Person tritt gegen einen Fußball, der auf dem Elfmeterpunkt liegt. © Sport Moments/Paschertz Foto: Sport Moments/Paschertz

Ergebnisse und Tabelle der Kreisklasse B 4

Übersicht über die Resultate und das Klassement der Hamburger Fußball-Kreisklasse B 4. extern

Seine bis dato höchste Saisonniederlage kassierte das Tabellenschlusslicht am 13. August des vergangenen Jahres beim TSV Stellingen II - 0:38 hieß es nach 90 Minuten. Machte in der Summe beinahe alle 120 Sekunden ein Gegentor. Zwei Wochen später gab es ein 0:27-Desaster beim Hoisbütteler SV II, Mitte Oktober dann noch eine 0:30-Pleite beim SV Tonndorf-Lohe. Viele andere Kicker hätten nach derartigen Demütigungen vermutlich ihre Fußballschuhe an den berühmten Nagel gehängt - oder sich zumindest einen anderen Club gesucht. Nicht so die Spieler von Condors "Vierter".

"Ich kann jetzt nicht aufgeben. Ich muss jetzt diesen einen Sieg schaffen - und dann kann ich zufrieden sein." Kapitän Jarmo Drobar

"Ich bin jetzt seit Anfang der Saison hier und habe das Gefühl, dass wir besser werden. Und das motiviert mich. Ich habe jetzt dieses Projekt angefangen. Und ich kann jetzt nicht aufgeben. Ich muss jetzt diesen einen Sieg schaffen - und dann kann ich zufrieden sein", sagt Kapitän Jarmo Drobar. Der Mann mit der Rückennummer zehn und der Deutschland-Binde um den Arm ist ein technisch feiner Spieler, der fraglos auch in einer besseren Mannschaft kicken könnte. "Ich habe auch schon ein paar Mal überlegt zu wechseln", gibt er zu. Der Antrieb, mit seinen Kumpels vom SCC "diesen einen Sieg" zu feiern, sei bislang aber immer größer als der Wechselwunsch gewesen, erklärt Drobar.

Trainerin Fleischmann lobt Moral des Teams

Vielleicht gelingt der erste dreifache Punktgewinn ja an diesem Sonntagnachmittag im feinen Stadtteil Ohlstedt. Gastgeber Duwo 08 ist als Tabellendritter zwar haushoher Favorit und hat das Hinrunden-Duell mit 12:1 gewonnen. Dennoch herrscht vor dem Anpfiff konzentrierte und gute Stimmung bei den Farmsenern. Zumindest bei fast allen Farmsenern. "Muss es unbedingt jetzt anfangen zu regnen?", schimpft Trainerin Fleischmann. Mehr negative Töne sind von ihr allerdings in der Folge nicht mehr zu vernehmen. Die Arzthelferin wird ihre Schützlinge in den kommenden 90 Minuten ausschließlich loben, jede Abwehraktion und jeden gelungenen Spielzug beklatschen.

VIDEO: Condor-Trainerin Fleischmann: "Probieren es immer wieder" (2 Min)

"Der Zusammenhalt ist da, der Biss ist da. Sie wollen es und sie probieren es ja auch immer wieder", lobt die 43-Jährige die Moral ihrer Mannschaft. Fleischmann hat den Posten seit Anfang November vergangenen Jahres inne. Zuvor hatte die 43-Jährige die 2022 gegründete Mannschaft unterstützt, wenn Schützlinge medizinische Hilfe benötigten.

Gegen Hummelsbüttel Fünf-Tore-Führung verspielt

Nun ist Fleischmann Trainerin und manchmal auch Seelentrösterin. Ganz besonders waren ihre psychologischen Fähigkeiten am Abend des 10. November gefragt gewesen. Damals hatte Condor den Hummelsbütteler SV auf eigener Anlage empfangen. Es spielte das Tabellenschlusslicht gegen den Vorletzten. Nach 50 Minuten führten die "Raubvögel" mit 6:1 und kassierten dann in der Mutter aller Kreisklassen-Kellerduelle noch fünf Gegentreffer. Der Ausgleich zum 6:6 fiel in der dritten Minute der Nachspielzeit.

"Danach haben dann schon einige Spieler gesagt: 'Jetzt gehen wir'", berichtet Fleischmann. Mit viel Einfühlungsvermögen gelang es ihr, das zu verhindern und die Mannschaft wieder aufzurichten. "Wir stehen immer wieder auf", sagt die Trainerin kämpferisch.

Keeper Kunde wird gegen Duwo zur "Katze"

Zurück nach Ohlstedt, wo in Duwo ein anderes Kaliber als Hummelsbüttel auf die Farmsener wartet. "Jungs, jeder weiß, war er zu tun hat. Bewegt euch auch ohne Ball", fordert Kapitän Drobar unmittelbar vor dem Anpfiff.

Keeper Tobias Kunde vom Fußball-Kreisklassisten SC Condor 4 © Hanno Bode
Condor-Torhüter Tobias Kunde bewahrte sein Team gegen Duwo 30 Minuten lang vor dem ersten Gegentor.

Nachdem Referee Thomas Gierck die Partie freigegeben hat, sind es zur Verwunderung der wenigen Zuschauer die Gäste, die beinahe in Führung gehen. Ein Schuss von Drobar aus spitzem Winkel wird von einem Verteidiger gerade noch von der Linie geklärt (10.). Hernach verlagert sich das Geschehen dann allerdings in die Hälfte von Condor.

Die Hausherren drängen auf die Führung. Aber Tobias Kunde, den alle nur "Tobi" rufen, ist 30 Minuten lang nicht zu bezwingen. Der Keeper der "Raubvögel" wird zum Mann mit den tausend Armen, zu einer "Katze" im Kasten. "Der Schiedsrichter hat mich gerade gelobt", erzählt Kunde in der Halbzeit. Ehre, wem Ehre gebührt. Allerdings ist der Traum vom Punktgewinn zu diesem Zeitpunkt bereits geplatzt. Das Tabellenschlusslicht liegt nach 45 Minuten mit 0:4 in Rückstand.

Team kämpft trotz hohen Rückstands bis zum Schlusspfiff

Drei schön herausgespielte Treffer sowie ein verwandelter Foulelfmeter haben Duwo auf die Siegerstraße gebracht. Der Torhunger der Ohlstedter ist damit aber noch nicht gestillt. Nach dem Seitenwechsel berennt der Aufstiegsaspirant ununterbrochen das Gehäuse von Kunde. Weitere Treffer sind nur eine Frage der Zeit - und fallen dann auch. "Wir haben Spaß und ihr nicht", ruft ein Ersatzspieler der Hausherren nach dem 5:0 in Richtung der Farmsener. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

"Wir stehen immer wieder auf." Trainerin Franziska Fleischmann

Condors Kicker zeigen sich davon unbeindruckt. Obgleich die Kräfte bei den mit lediglich elf Spielern angereisten Gästen zunehmend nachlassen und es inzwischen 0:10 steht, fällt kein böses Wort untereinander. Bis zur letzten Sekunde gehen die "Raubvögel" leidenschaftlich zur Sache. Zumindest ein Ehrentor möchte das Tabellenschlusslicht unbedingt erzielen. Es sind aktuell noch die kleinen Ziele und Erfolgserlebnisse, die das Fleischmann-Team anstrebt.

"Raubvögeln" geht die Luft aus

Aber auch die Ergebniskosmetik bleibt den Farmsenern verwehrt. Duwo-Keeper Samuel Medukic muss im zweiten Durchgang keinen einzigen Ball parieren. Am Ende schlägt eine 0:12-Pleite für Condor zu Buche. Das nächste Desaster - zumindest vom Resultat her. Denn es war nicht alles schlecht beim SCC.

Spielszene TSV Duwo 08 - SC Condor 4 © Hanno Bode
Condors Spieler (in den weißen Trikots) boten Duwo lange Zeit Paroli.

"Für unsere Verhältnisse war das ein besseres Spiel. Ich finde, dass wir es solide gemacht haben. Vor allem die erste Hälfte war ziemlich gut. Im Endeffekt ist es dann halt wieder so gelaufen wie so häufig, wenn man keine Auswechselspieler hat. Dann gehen irgendwann Konzentration und Kraft weg. Aber es war in jedem Fall eine Verbesserung zu den letzten Spielen. Und das freut mich", sagt Drobar.

Trainerin Fleischmann geht mit ihrem Kapitän d'accord. "Die ersten Halbzeiten laufen eigentlich immer bombastisch, auch wenn dann mal ein Tor fällt. Aber sie ziehen es ja durch. Dann ist aber meistens die Luft raus, weil uns die Ersatzspieler fehlen", resümiert die 43-Jährige.

Zugänge machen Hoffnung auf bessere Zeiten

Schon bald aber könnte dieses Problem gelöst sein. Denn trotz der Horror-Bilanz von nur einem Punkt und einem Torverhältnis von 26:333 Treffern hat sich neues Personal angekündigt. "Wir kriegen auf jeden Fall Zuwachs", verrät Fleischmann, um selbstbewusst zu ergänzen: "Und dann hoffen wir mal, dass sich das Blatt wendet. Wir kommen aus dem Nichts heraus."

Acht Partien bleiben der Trainerin und ihren tapferen Kickern noch, um das große Ziel, einen Sieg, zu erreichen. Die größte Möglichkeit dazu besteht wohl am letzten Spieltag. Dann steht das Rückrunden-Duell mit Hummelsbüttel auf dem Programm. Jener Mannschaft, gegen die Condor eine 6:1-Führung verspielte. "Die Revanche brauchen wir. Und das Spiel holen wir uns auch", sagt Fleischmann.

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