Breaker Tete zeigt eine Pose. © NDR

Breaking: Von der Straße auf die olympische Bühne 

Stand: 14.06.2023 13:14 Uhr

Breaking wird 2024 in Paris die erste Tanzsportart im olympischen Programm. Jetzt werden in Hamburg die talentiertesten Sportlerinnen und Sportler gesucht - aber die Szene ist skeptisch.

von Alexander Kobs

Marco Baaden muss nur kurz überlegen, dann klickt der Bundestrainer flott bei YouTube rein und präsentiert ein Beispielvideo. Über die große Leinwand, aufgebaut in der HipHop Academy im Hamburger Stadtteil Billstedt, flimmert das Breaking-Finale der Weltmeisterschaft 2021. Das Battle zwischen Breaking-Legende "Flea Rock" und dem aufstrebenden Japaner "Shigekix". Es soll die zuvor aufkommende Frage der anwesenden Journalisten beantworten, wie denn beim Breaking genau gewertet wird.

"Es kommt auch auf die Show an"

Die nächsten Minuten beobachten alle gebannt das Geschehen auf der Leinwand. Spektakuläre Bewegungen von beiden Sportlern. Head Spins, Toprocks, Downrocks, Powermoves - und alle sind sich danach sicher: Der junge Japaner wird das Duell gewinnen. Technisch einwandfrei vorgetragen, dynamisch-elegant.

Für die Journalisten steht der Sieger eindeutig fest. Doch es kommt anders. Der Altmeister "Flea Rock" wird zum Sieger gekürt. Seine Ausstrahlung und Authentizität haben am Ende den Ausschlag gegeben. "Es kommt auch auf die Show an", sagt Baaden danach. Und eröffnet damit auch die Diskussion, wie weit Breaking dann überhaupt vergleichbar sei und die Zuschauenden nicht ratlos zurücklässt.

Olympia-Premiere auf dem Place de la Concorde

"Show ist nicht Sport, aber das gehört neben den anderen Kriterien halt dazu", sagt Baaden. Seit rund zweieinhalb Jahren steht er an der sportlichen Spitze der aufstrebenden Sportart, die im kommenden Jahr ihr olympisches Debüt geben wird.

Auf dem berühmten Place de la Concorde in Paris wird für die insgesamt 32 Startenden eine überdachte Open-Air Arena aufgebaut. 16 Männer und 16 Frauen können sich qualifizieren. Angesagte Szene-DJs legen auf, die Tänzerinnen und Tänzer ("B-Boys" und "B-Girls") kennen den Beat vorher nicht, müssen die Musik spontan umsetzen.

In der französischen Hauptstadt werden "Eins-gegen-eins-Battle" ausgetragen, sie dauern zwischen vier und fünf Minuten. Abwechselnd darf jeder zweimal für rund 45 Sekunden ("Run") zeigen, was er oder sie draufhat. Breaken ist der erste Tanzsport, der es ins olympische Programm geschafft hat.

Jubiläum: 50 Jahre Hip-Hop-Geschichte

"Hip Hop ist schon länger eine der größten Kulturbewegungen weltweit. Aber mit dem Olympischen wird das auf eine ganz andere Fläche gehoben, die Hip Hop so auch noch nicht erlebt hat", sagt Tim Dollmann, der Geschäftsführer der Hamburger HipHop Academy. Seit 16 Jahren trainieren hier junge Menschen in dieser Disziplin.

In Vorbereitung auf die Spiele wurde ein Workshop für Medienvertreter organisiert, um das Wissen um die Regeln und Geschichte des Breakings weiterzugeben. Passend: In diesem Jahr wird 50 Jahre Hip-Hop-Geschichte gefeiert.

Nur 32 Startplätze bei den Olympischen Spielen

Die Favoriten für Paris kommen aus den USA, Japan, Korea und Frankreich. "Wir sind im oberen Drittel", sagt Baaden, der selbst zu den weltbesten Breakern gehörte. Künstlername: Mallekid. Pro Land dürfen maximal zwei je Geschlecht teilnehmen. Ein harter Ausscheidungskampf bereits im Vorfeld.

Baaden hat die Aufgabe, einen konkurrenzfähigen Bundeskader zusammenzustellen. Eine Herkulesaufgabe. Um Deutschlands beste Breaker herauszufiltern, wird Baaden am Wochenende wieder in Hamburg sein. Genauer gesagt auf dem Heiligengeistfeld. Dort wird das "DTV Ranking Battle" ausgetragen.

Eine offene Veranstaltung für alle, die sich berufen fühlen, Teil des Bundeskaders zu werden. Mindestalter: 16 Jahre, Voraussetzung ist eine Vereinsmitgliedschaft - und als möglicher Kaderathlet muss man naturgemäß die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Eine Anmeldung kann noch am Wettkampf-Tag selbst erfolgen. 

Über Hamburg nach Paris?

Der Grand Slam in Hamburg ist eine von zwei Stationen, bei denen die Aktiven für den Bundeskader (acht Männer und acht Frauen) ermittelt werden. Vortanzen, um dann den Weg Richtung Paris einzuschlagen. Mit dabei ist auch die Hamburger Nachwuchshoffnung Noah Tete. Der 21-Jährige zeigt den Medienvertretern beim Workshop-Tag der HipHip Academy, was er draufhat. Warmmachen sozusagen für die große Bühne. Am besten natürlich für die olympische.

"Das wäre auf jeden Fall was für mich. Ich glaube, dass ich diese Runde nicht schaffen werde, was nicht schlimm ist, weil ich noch nicht so lange tanze im Vergleich zu den anderen. Aber die nächste Runde werde ich auf jeden Fall aufmischen", sagt Tete.

Olympia-Skepsis in der Breaking-Szene

Baaden und die Veranstalter rechnen mit bis zu 140 Tänzerinnen und Tänzern, die sich auf dem Heiligengeistfeld präsentieren wollen. Ein großer Andrang, auch wenn die Skepsis in der Szene groß ist. Nicht alle feiern es, dass Breaken olympisch wird. Ihr Sport habe einen eigenen Lifestyle, sei geprägt von Spontaneität und Kreativität. Eine eigene Lebenskultur. Sich in die Formalien des IOC zu pressen - undenkbar.

Die Sorge ist groß, ob ihre Subkultur mit den strikt normierten Vorgaben des IOC in Einklang gebracht werden kann. Ähnliche Ansichten gab es auch beim Skateboarding, das 2021 in Tokio seine Olympia-Premiere gab.

Auch der Bundestrainer haderte lange mit sich, ob er das Amt übernehmen soll. "Ich habe extrem viele Gedanken gehabt, ob das das Richtige ist. Ob Breaking, ob diese ganze Hip-Hop-Kultur in dieses Regelwerk reingehört, weil wir ja relativ frei sind", sagt Baaden.

Doch das IOC ist gewillt, mit neuen Sportarten ein jüngeres Publikum für die Spiele zu begeistern. Baaden hat sich dazu entschlossen mitzuhelfen, seinen Sport auf die große Bühne zu hieven und allen zu zeigen, dass Breaken mehr ist als "auf dem Boden rumzurutschen".

Breaking - nicht Breakdance

Entstanden ist die Sportart in der New Yorker Bronx. In den 1970er Jahren etablierten vor allem afroamerikanische Jugendliche die Hip-Hop-Battle. Statt sich in den Straßen zu bekriegen, trugen die Clans tänzerisch ihre Streitigkeiten aus. Schnell schwappte der Trend nach Europa über. Noah Tete, der wohl erst auf den Olympia-Zug 2028 (Austragungsort: Los Angeles) aufspringen wird, breakt erst seit viereinhalb Jahren. "Der Sport stärkt meine Persönlichkeit und auch mein Selbstwertgefühl", sagt er. Im Volksmund ist Breaken auch als Breakdance bekannt. Der Begriff ist in der Szene jedoch als eine Erfindung der Medien verpönt.

Termin-Stress für Bundestrainer Baaden

Auch an diesem Workshop-Tag in der HipHop Academy spürt man die Aufbruchstimmung. Olympia setzt einiges in Gang. Plötzlich müssen Trainer, die jahrzehntelang einfach so gecoacht haben, bestimmte Trainerlizenzen vorweisen. An der Nominierung der Kaderathleten und -athletinnen hängen Fördergelder des DOSB. 

Überhaupt mussten im Breaking-Bereich erst einmal neue Strukturen entstehen, erzählt Baaden. Der Bundestrainer hat momentan viel zu tun. Erst am Vorabend des Workshops ist er von einer Veranstaltung aus Kanada gekommen. Ein Termin jagt den nächsten. 

Gesucht: Die ersten Breaking-Olympiasieger und -siegerinnen

Und wie steht es nun um die Vergleichbarkeit der Leistungen, wie werden Gold, Silber und Bronze vergeben? Baaden ist pragmatisch: "Letztendlich muss man auch sagen: Da sitzt eine kompetente Jury und die entscheidet dann schon, was richtig und was falsch ist." In Paris werden es wohl neun Juroren und Jurorinnen sein, die über die Medaillen befinden.

Am Ende wird es auf die Kriterien Kreativität, Persönlichkeit, Technik, Vielseitigkeit, Darstellungskraft und Musikalität hinauslaufen. Anders ausgedrückt: Der Geschmack der Jury wird eine gewichtige Rolle spielen. "Das ist noch ein spannendes Thema", sagt auch der Bundestrainer. Doch klar ist jetzt schon: Die ersten Breaking-Olympiasieger und -siegerinnen werden auch die beste Show abliefern müssen. 

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR 2 Sport | 12.06.2023 | 23:03 Uhr

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