Facebook-Chef Zuckerberg spielt wohl auf Zeit
Facebook-Chef Mark Zuckerberg hält mehr Regeln für das Internet für notwendig. Unternehmen wie seines besäßen sehr viel Macht, sagte er in einem Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Zuckerberg schlug ein Expertengremium vor, das darüber entscheiden könnte, welche Inhalte im Netz gezeigt werden sollten. Dabei müsse aber die Politik eine aktivere Rolle spielen als bisher. Sind Zuckerbergs Aussagen glaubhaft - oder nur ein geschickter Schachzug?
Ein Kommentar von Daniel Bouhs, NDR Redaktion ZAPP

Nur kurz war Mark Zuckerberg in Berlin, doch sein Besuch hatte es in sich: Der Facebook-Gründer platzierte seine Forderung nach einer internationalen Regulierung - beim Treffen mit Politikern, aber auch im Gespräch mit der ARD. Er wolle, sagte Zuckerberg, mehr gegen "schädliche Inhalte oder politische Einflussnahme" unternehmen.
Das Wort "Verantwortung" fiel auffällig oft. Facebook sei jedoch nur dafür zuständig, die nötige Technik zu entwickeln. Was genau erlaubt sei und was eigentlich politische Meinungsäußerungen seien, das solle doch besser die Gesellschaft entscheiden - also letztlich: die Politik.
Facebooks plötzlicher Kurswechsel
Erinnern wir uns: Zuckerbergs Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahren mit aller Kraft gegen strenge Regeln etwa im Umgang mit Hasskommentaren gekämpft - in Deutschland auch gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz.
Nun lobbyiert Facebook nicht mehr gegen, sondern plötzlich für gesetzliche Vorgaben? Ja, das ist ein Kurswechsel. Es ist aber vor allem auch eines: die Flucht nach vorn.
Alle und alles gegen den "blauen Planeten"
Der Schöpfer des "blauen Planeten", wie Facebook angesichts seines dunkelblauen Logos und seinen mehr als zwei Milliarden Nutzerinnen und Nutzern weltweit gerne genannt wird, hat offensichtlich ganz einfach erkannt, dass er die Öffentlichkeit nicht für sich gewinnen konnte.
Erst kam in Deutschland das NetzDG, dann in Europa die DSGVO, die Datenschutzgrundverordnung. Dazu der äußerst unglückliche Auftritt Zuckerbergs vor dem US-Kongress. Alle und alles gegen Facebook.
Ein durchsichtiger, aber kluger Versuch
Dass Zuckerberg neulich schon erklärte, seine Plattform werde zum neuen, großen Datenschutz-Vorreiter, und nun auch noch der Politik zuruft: "Reguliert uns bitte!", ist der ziemlich durchsichtige, aber nicht unkluge Versuch, die Stimmung zu drehen und aus der ohnehin schärferen Gesetzeslage das Beste zu machen. Facebook soll als Treiber dastehen, nicht als Getriebener.
Hat Zuckerberg tatsächlich verstanden?
Ja, vielleicht hat Zuckerberg auch tatsächlich verstanden - immerhin beteiligt sich das Facebook-Management zunehmend an öffentlichen Diskussionen und erklärt endlich besser, wie die Plattform und die bisherigen Filtermechanismen funktionieren.
Es wäre natürlich ein Gewinn, wenn der öffentliche Druck - auch der Bundesregierung - zu einem Sinneswandel geführt hätte. Wahrscheinlicher ist: Der neuerliche Vorstoß ist eine clevere Verzögerungstaktik.
Regulierung auf internationaler Ebene ist unmöglich
Zuckerberg will keinen "Flickenteppich unterschiedlicher Regeln", sondern plädiert für eine Regulierung auf internationaler Ebene. Das klingt plausibel, schließlich macht "dieses Internet" nicht vor Landesgrenzen halt.
Allein: Schon für europäische Regeln gehen Jahre ins Land. Neue Spielregeln gar interkontinental einzuführen, das hieße in aller Konsequenz, Russland und China mit einzuschließen. Das fällt realistisch gesehen eher in die Kategorie "Unmöglich!". Mark Zuckerberg könnte sich derweil bequem zurücklehnen und sich dabei ins Fäustchen lachen.
