"Eine außergewöhnlich große Geschichte"
2,6 Terabyte, 11,5 Millionen Dokumente, 214.000 Briefkastenfirmen. Seit Sonntagabend sind die Zeitungen, die Nachrichtensendungen und die Timelines voll mit diesen Zahlen. Die ganze Welt spricht von den Panama Papers. Es ist das größte Datenleck, mit dem Journalisten je gearbeitet haben. In dem riesigen Datenberg tauchen auch die Namen von Superreichen, Sportlern, Waffenhändlern, Spionen und Betrügern auf.
Rund 400 Journalisten haben daran gearbeitet, diesen Batzen an Daten zu untersuchen. Sie haben nach Namen, nach Geschichten und Zusammenhängen gesucht. Wie macht man das eigentlich? NDR Kultur hat mit Jan Strozyk gesprochen, er hat für den NDR mit an der Geschichte recherchiert.
NDR Kultur: Herr Strozyk, wie muss man sich das vorstellen, 11.5 Millionen Dokumente werden der Süddeutschen Zeitung zugespielt - und was passiert dann damit?
Jan Strozyk: Nachdem die Quelle sich bei der SZ gemeldet hat und die Kollegen festgestellt haben, dass dies eine außergewöhnlich große Geschichte wird, haben sie den Entschluss gefasst, die Informationen zu teilen. Und zwar nicht nur beispielsweise mit dem WDR und NDR, sondern eben auch mit internationalen Partnern. Mit dem ICIJ, das ist das internationale Konsortium für investigative Journalisten. Das ist ein großer, relativ loser Verband mit Mitgliedern auf der ganzen Welt. Das ICIJ hat die Koordination übernommen und hat den Zugang und die Verteilung der Daten an die einzelnen Partner organisiert. Das haben die auch gut gemacht und am Ende hatten wir insgesamt 109 Medien in der Berichterstattung, das ist eine stattliche Zahl.
Hat denn jedes Medium eine Festplatte auf den Tisch bekommen oder wie wurde die Arbeit koordiniert?
Strozyk: Das ICIJ hat eine Plattform zur Verfügung gestellt, die man sich ein wenig wie Facebook vorstellen kann - aber eine Hochsicherheitsplattform. Dort haben wir Diskussionen zu verschiedenen Themen geführt, haben über Geschichten, Ausspielwege und Umsetzungsformen gesprochen. Da hat jeder der ICIJ-Partner einen Zugang bekommen und konnte mitdiskutieren.
Das war dann auch Teil Ihres Arbeitsalltages: Diskussionen mit 400 Journalisten?
Strozyk: Mein Arbeitsalltag sah in der Regel so aus, dass ich mir einen kleinen Happen der Daten vorgenommen habe und versucht habe, sie zu verstehen. Es sind viele Dinge, die sich nicht unbedingt auf den ersten Blick erschließen. Man muss erst einmal verstehen, welche Unterlagen zum Beispiel für die Gründung einer Firma wichtig sind oder wo im Handelsregister von Panama die entscheidenden Daten eingetragen sind. Es war immer ein Wechsel zwischen der Einzelarbeit am Schreibtisch und dem Austausch mit den Kollegen.
400 Kollegen sind es insgesamt, sie alle haben gleichzeitig die Bombe platzen lassen. Wie schwierig ist es eigentlich der Versuchung zu wiederstehen, doch der Erste zu sein?
Strozyk: Ich kann nur für mich und meine Kollegen beim NDR sprechen. Es fiel uns natürlich schwer, weil wir über einen langen Zeitraum nichts anderes gemacht haben. Aber alle wussten, dass dies eine wichtige, große Geschichte wird. Für mich war es so, dass ich mir immer vorgestellt habe, dass mein Warten und Ausharren belohnt wird mit einem großen Aufschlag.
Das Gespräch führte Jan Wiedemann
