Dirty Dozen, Folge 3: Oscar Peterson Trio: "At the Stratford Shakespearian Festival " (1959)
Die Schallplatte und der Jazz sind von Anfang an eine fast symbiotische Verbindung miteinander eingegangen. Der Jazz hätte sich nie so schnell und so weit verbreitet ohne die Schallplatte. Und die Schallplatte wäre ohne den Jazz vielleicht auch nicht das geworden, was sie heute ist - klein und silbern und digital und - wie der Jazz - immer noch nicht am Ende ihrer Entwicklung.
Immer wieder Technik
Jazz und Schallplatte, das bedeutete am Anfang: Schellackplatte - mit knapp drei Minuten Laufzeit, Kratzen, Rauschen und Studios, die aussahen wie Bretterverschläge. Dann haben sie das Mischpult erfunden, das Tonbandgerät, die Stereophonie, die digitale Technik. Die Aufnahme- und Bearbeitungsmöglichkeiten wurden immer raffinierter, der Klang immer brillanter - nur, der Jazz wurde dadurch nicht besser. Jazz lebt von Überraschungen - niemand weiß, was als nächstes passiert, auch die Musiker selbst wissen es nicht. Und solche Überraschungen sind im Studio selten.
Live is Life
Jazz war und ist immer dann am besten, wenn er vor Menschen gespielt wird. Deshalb gehen wir ja heute noch in Clubs und Konzerte, um genau das zu erleben. Dem unbekannten Produzenten sei Dank, der diese Idee mit dem Live-Mitschnitt hatte. Nun laufen Musiker nicht bei jedem Konzert zur Höchstform auf und es werden längst nicht alle Konzerte auch mitgeschnitten, aber wenn beides zusammenkommt, dann ist das ein Glücksfall.
Unter einem guten Stern
Das Album "The Oscar Peterson Trio at the Stratford Shakespearian Festival" ist ein solcher Glücksfall. Nie zuvor war es gelungen, das Oscar Peterson Trio so aufzunehmen, wie es wirklich geklungen hat: das unerreicht brillante Klavier von Oscar Peterson, die quirlige Gitarre von Herb Ellis und der federnd swingende Bass von Ray Brown, das Sich-gegenseitig-inspirieren, das Reagieren aufeinander. Wie es dazu gekommen ist verrät der Hüllentext der Platte aus erster Hand, denn Oscar Peterson selbst hat ihn geschrieben: Das Trio spielte an zwei Abenden und konnte sich an den Saal gewöhnen. Das Publikum war Stütze und Hilfe, es war - ganz und gar nicht selbstverständlich - leise, es hat an den richtigen Stellen geklatscht und ist mit den Musikern buchstäblich mitgegangen. Und, last but not least, war da John Lewis - selbst Pianist, also Musikerkollege - der das Repertoire des Trios gut kannte und der, neben dem Toningenieur sitzend, beim Aussteuern und Ausbalancieren der Aufnahme mitgeholfen hat.
Mag sein - nein, ganz sicher sogar war das Oscar Peterson Trio vor und hinterher so gut wie an jenen beiden Abenden im August 1956 in Stratford, Ontario - wir wissen es nicht. Aber wir haben diesen einen Mitschnitt - inzwischen längst ein Klassiker.