Stand: 10.12.2013 17:57 Uhr

Interview: "Bis zum Schluss unangenehm"

Selbstversuch: Panorama 3 Reporter betteln. © NDR
Obdachlos und bedürftig "spielen" - darf man das?

Pippa Nachtnebel und David Hohndorf haben den Selbstversuch gemacht: Zwei Tage als Bettler im schicken Hamburger Stadtteil Eppendorf. Im Interview mit NDR.de erzählen sie, wie sie die Zeit als vermeintliche Obdachlose erlebt haben und wo sie an ihre persönlichen Grenzen gestoßen sind.

Wie habt Ihr Euch auf Eure Rolle als Obdachlose vorbereitet?

David Hohndorf: Wir haben uns vorher mit Obdachlosen unterhalten und uns ihre Geschichten angehört. Und dann sind wir noch einen Tag auf Probe betteln gegangen, um zu testen, wie sich das anfühlt - und wie wir die Situation mit den versteckten Kameras dokumentieren können.

Wie schwierig war es, fremde Leute um eine Spende, etwas zu essen oder einen Schlafplatz zu bitten?

Pippa Nachtnebel: Es kostet viel Überwindung fremde Menschen anzusprechen, um von ihnen Geld oder Lebensmittel zu bekommen - vor allem vor dem Hintergrund, dass wir ja eigentlich gar nicht bedürftig sind, sondern nur so tun als ob. Und dann filmen wir das alles noch. Da hatten wir immer wieder mit unserem Gewissen zu kämpfen. Bis zum Schluss blieb die Situation für uns unangenehm.

Warum habt Ihr gerade Hamburg-Eppendorf als Ort für Euren Undercover-Einsatz ausgewählt?

David Hohndorf, Panorama 3.  Foto: Roman Rätzke
Reporter David Hohndorf schlüpfte für Panorama 3 in eine neue Rolle: Er war als Bettler unterwegs.

Hohndorf: Wir haben bewusst eine Gegend gewählt, in der eher gut verdienende Menschen leben, die also genug Geld haben, um anderen zu helfen. Gleichzeitig sollte diese Gegend nicht zu weit entfernt von unserer eigenen Lebensrealität sein. Deshalb haben wir uns für Hamburg-Eppendorf entschieden, wo wir gelegentlich selbst auch mal einkaufen gehen. Ein weiterer Vorteil war, dass es ein belebtes Wohn- und Geschäftsviertel ist, wo wir die Hilfsbereitschaft in unterschiedlichsten Situationen erleben konnten.

Was war Euer stärkstes Erlebnis?

Nachtnebel: Es sind viele kleine Momente, Gesten und nette Worte, die uns von Passanten geschenkt wurden. Besonders beeindruckt hat uns eine Rentnerin, die ihre Rente mit einem Minijob aufbessern muss. Nach einem längeren Gespräch schenkte sie uns einen 5 Euro-Schein. Wir waren so gerührt, dass wir unsere Tarnung aufgegeben haben und ihr das Geld zurückgeben wollten. Die nette Dame meinte, wir sollten ihr Geld einfach spenden. Das hatten wir ohnehin vor.

Hat Eure Tarnung gehalten?

Pippa Nachtnebel © NDR / Ulla Brauer Foto: Ulla Brauer
Panorama 3 Reporterin Pippa Nachtnebel war positiv überrascht von der Hilfsbereitschaft der Menschen.

Nachtnebel: In der Regel hat die Tarnung schon gehalten. Wir mussten uns überraschenderweise fast nie für unsere Situation rechtfertigen. Die Leute haben sich offenbar ihren Teil gedacht. Aufgeflogen sind wir eigentlich nur, wenn unser Kameramann aus der Deckung kam, oder wenn wir offen mit den Menschen gesprochen haben. Nur einmal hat uns eine Frau direkt gefragt, ob wir Journalisten sind.

Was habt Ihr über die Hilfsbereitschaft der Menschen gelernt?

Hohndorf: Wir haben vor dem Dreh nicht damit gerechnet, dass uns so viele Menschen helfen würden. Die Leute sind uns überwiegend freundlich begegnet. So hat sich unser Vorurteil nicht bestätigt, nachdem die Anteilnahme mit den Bedürftigen mit wachsendem Wohlstand eher abnimmt. Eppendorf hat sich von seiner besten Seite gezeigt. Uns wurde viel geholfen. Aber vielleicht hatten wir auch einfach nur Glück.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 10.12.2013 | 21:15 Uhr

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