Corona-Zahlen: Erhebliche Unterschiede in Hamburgs Stadtteilen
Bei den Corona-Infektionen gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Hamburger Stadtteilen. Einige weisen eine Inzidenz von mehr als 250 auf. Das hat eine Recherche des Hamburg Journals im NDR Fernsehen ergeben.
Demnach stieg die durchschnittliche Inzidenz in einigen Stadtteilen im März 2021 auf mehr als 250, während sie in anderen Stadtteilen unter 50 blieb. Die Zahlen stammen von der Sozialbehörde und dem Statistikamt Nord, die das Hamburg Journal dort nachgefragt und ausgewertet hat. Sie basieren auf den behördlich festgestellten Infektionen und dem Wohnort der Infizierten.
Große Unterschiede zwischen den Stadtteilen
Im gesamten Verlauf der Pandemie werden ähnliche Unterschiede deutlich: So steckten sich in einigen Stadtteilen, im Verhältnis zu der jeweiligen Einwohnerzahl, bis zu sechs Mal mehr Bewohnerinnen und Bewohner der Stadtteile an als in anderen.
Zahlen werden nicht weiter analysiert
Die Gründe für die erheblichen Unterschiede sind nicht klar. Der Senat hatte bislang nur Zahlen auf Bezirksebene veröffentlicht. NDR 90,3 und das Hamburg Journal hatten bereits über die auch dort erkennbaren Unterschiede berichtet. Die Gründe dort sind laut Sozialbehörde nicht bekannt und würden auch nicht weiter analysiert, sagte damals ein Sprecher. Zu den noch erheblicheren Unterschieden zwischen den Stadtteilen äußerte sich die Sozialbehörde bislang nicht. Die Zahlen in der Grafik zeigen die Gesamtinzidenz vom Februar 2021 bis zum 23. März 2021.
Wenig Kaufkraft, viele Infektionen
Besonders auffällig sind die Unterschiede in sozial benachteiligten Stadtteilen. In vielen Stadtteilen mit eher geringer Kaufkraft steckten sich, im Verhältnis zur jeweiligen Einwohnerzahl, im Schnitt doppelt und dreifach so viele Menschen an wie in besser situierten Stadtteilen. Sozialverbände vermuten, dass ein Grund auch in der Sozialstruktur zu suchen ist. Das gehe seit Jahren aus dem Sozialmonitoring hervor. Gesundheit und Geld stünden demnach in einem Zusammenhang. Wer weniger Geld habe, sei insgesamt kränker und habe eine deutlich geringere Lebenserwartung. Dieses Sozialgefälle scheine sich, so der Paritätische Wohlfahrtsverband, jetzt auch in der Pandemie zu bestätigen.
Arme Menschen sind seltener im Homeoffice
Als Gründe nannten Sozialverbände und Opposition unter anderem Unterschiede bei den Arbeits- und Wohnverhältnissen. Menschen mit eher geringem Einkommen arbeiteten beispielsweise häufiger in Produktions- und Dienstleistungsberufen und könnten daher seltener Homeoffice machen. Außerdem lebten häufig mehr Menschen auf weniger Quadratmetern.
Sozialverband ist für Corona-Guides
Aber auch mangelnde Aufklärung könne ein Grund sein. Der Sozialverband Deutschland und die Fraktion Die Linke forderten vom Senat sogenannte Corona-Guides, die direkt in die Stadtteile gehen und Menschen aufklären. Die CDU-Opposition hält zusätzliche kostenlose Testangebote in Stadtteilen mit vielen Infektionen für sinnvoll.
Paritätischer fordert mehr Aufklärung
Der Paritätische Wohlfahrtsverband ist der Meinung, dass es möglicherweise auch bei der Aufklärung Nachholbedarf gebe. Möglicherweise seien Sprachbarrieren ein weiterer Grund. Außerdem reiche es nicht, Verordnungen einfach nur ins Internet zu stellen, man müsse auf die Leute in den Vierteln direkt zugehen. Das ist auch die Erfahrung in der Poli-Klinik Veddel, dem Stadtteil-Gesundheitszentrum, welches unter anderem von Medizinerinnen und Medizinern betrieben wird. Die Menschen seien für Informationen, die man am Corona-Mobil gesehen habe, sehr empfänglich. Erfolgreich sei vor allem die direkte Ansprache.
Veddel: Corona-Ausbruch in der Schule
Auf der Veddel steckten sich im Verhältnis zur Einwohnerzahl am meisten Menschen im Pandemie-Verlauf an. Die durchschnittliche Wocheninzidenz betrug im November 2020 mehr als 500. Das lag unter anderem an einem großen Corona-Ausbruch in der Stadtteilschule mit rund 100 infizierten Kindern, Lehrerinnen und Lehrern. Doch auch im März 2021 lag die durchschnittliche Inzidenz bei mehr als 300. Im benachbarten Wilhelmsburg bei mehr als 250. Zum Vergleich: In Eimsbüttel und Niendorf lag sie, Stand 23. März, beispielsweise bei jeweils unter 60.
Sozialbehörde: Unklar, wo angesteckt
Die Sozialbehörde hatte bereits mit Blick auf die Unterschiede in den Bezirken darauf hingewiesen, dass der Wohnort der Infizierten nur eine begrenzte Aussagekraft habe. Es sei nicht klar, wo sich die Betroffenen infiziert hätten. Außerdem könnten Ausbrüche in Wohnunterkünften wie Seniorenheimen die Statistik verzerren und damit die Stadtteile weniger vergleichbar machen. Das lassen Opposition, Sozialverbände und die Medizinerinnen und Mediziner des Stadtteilgesundheitszentrums Veddel nicht gelten. Die Unterschiede seien zu signifikant, um diesen nicht weiter nachzugehen.
