Stand: 25.09.2017 12:18 Uhr

Philipp Schmids Pilgerblog 2017

3. Etappe: Von Wismar nach Parin

Philipp Schmid und Tim Langeheine © NDR.de Foto: Lenore Lötsch
Philipp Schmid und Tim Langeheine unterwegs nach Parin

Motivation, Ansporn, Trost. "Raum der Stille" heißt die Nebenkapelle der Heiligen-Geist-Kirche Wismar, in der wir heute als Pilger übernachtet haben. Still sitze ich noch ein wenig im Kirchenschiff, warte auf den Sonnenaufgang, gebe den Hörern von NDR Kultur einen kurzen Zwischenbericht und koche anschließend in der Küche der Gemeinde Kaffee. Genau das sind die Momente, die ich am Liebsten festhalten möchte - in Socken und mit der Zahnbürste in der Hand über jahrhundertealte Holzdielen zu gehen, an historischen Truhen und Gemälden vorbei, der großen Orgel. Frei bewegen, Banales tun in heiliger Umgebung. Gast sein dürfen in einer Kirche. Übernachtungsgast.

Kaffee ans Feldbett

Pilgergruppe wird von Kameras beobachtet © NDR.de Foto: Philipp Schmid Lenore Lötsch
Zeit zum Innehalten? Nicht immer leicht, wenn die Kameras dabei sind.

Der große Papp-Luther hinten in der Ecke hat mich im Halbdunkel allerdings mehrfach furchtbar erschreckt - ihn wegzustellen oder zu verschieben habe ich mich allerdings nicht getraut. (Denn: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders.")

Arnhild und Tim sind zuerst wach, staunen auch immer noch über den besonderen Raum der nächtlichen Unterbringung und lassen bei Tee, Kaffee und angeregtem Gespräch den neuen Tag beginnen. Die beiden anderen werden musikalisch geweckt - Bachs "Jesus bleibet meine Freude", kombiniert mit einer Art Widor-Toccata (im Rahmen meiner bescheidenen organistischen Fähigkeiten, es war aber wenigstens laut) und einer Werbemelodie, die wir unterwegs ab und zu vor uns hin gesungen haben, und die schlagartig gute Laune macht. Kaffee ans (Feld)bett und Live-Orgelwecker - ich kenne die Mitpilger jetzt nicht sooo gut, aber ich vermute, das haben sie nicht jeden Tag.

Orte voller Kraft

Philipp Schmid beim Pilgern © NDR.de Foto: Lenore Lötsch
Wo geht es für uns lang? Mal schauen ob ein Blick auf die Karte hilft.

Die Kirche in Wismar ist ein Kraftort, so habe ich gestern geschrieben, und heute auf der Etappe waren es drei solcher Orte, die die knapp über 20 km nach Parin eingerahmt haben: Die Kirche, das Meer und die Sterne. Am frühen Nachmittag sind wir an der Ostseeküste, am Strand. Wanderstiefel aus und die nackten Füße in den Sand. Tim, unglaublich, springt sogar hinein ins kalte Wasser. Und abends, vor der Pilgerunterkunft für die Nacht ein wunderbarer Sternenhimmel.

Dritter Tag der Reise, und immer ein schwieriger. Das Schreiben fällt mir schwer, die Gedanken kleben so vor sich hin, was will ich genau - beschreiben, aufzählen, betrachten, nach innen schauen. Vielleicht ist das ein Pilger-Paradox, je mehr passiert, je mehr man überrascht, überwältigt, überfordert ist, desto weniger klar kann man die Gedanken fassen, die Eindrücke einordnen und die Ereignisse deuten.

Zu müde zum Durchstreichen

Kurz vor Mitternacht. Noch nie hab ich so viel durchgestrichen, korrigiert und übermalt wie im heutigen Tagebucheintrag. Wäre ich nicht zu müde, würde ich "übermalt" auch wieder durchstreichen und durch "__" ersetzen.

Philipp Schmid beim Pilgern © NDR.de Foto: Philipp Schmid
Philipp Schmids Pilger-Füße dürfen auch einmal den Ostseestrand genießen.

Kurz nach Mitternacht. Spätestens jetzt möchte ich neben den Orten auch die Menschen erwähnen und bedenken, die uns unterwegs Kraft geben und Ansporn sind: der wunderbaren Hörerin, die für mich schon vor dem Losgehen im Münster Bad Doberan eine kleine Motivation hinterlegt hat. Dem zauberhaften Küsterehepaar in Alt Karin, das uns die Kirche gezeigt hat und so glücklich war, dass meine Stimme mal in ihrer Dorfkirche statt im Radio zu hören ist, dem netten Mann in Wismar, der morgens im Radio zugehört hatte, und dankbar war, uns den Weg beschreiben zu können. Den vielen Menschen, die unterwegs noch schnell ein Foto machen wollen (hochladen nicht vergessen) und vor allem der bezaubernden NDR Kultur Hörerin, die sich heute Morgen gleich auf den Weg in die Kirche gemacht hat. Ich trage den kleinen (Kraft)stein mit und bin sehr glücklich und dankbar.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 25.09.2017 | 16:20 Uhr

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