Die am 15. Februar 2023 von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt die Ausbildung ukrainischer Soldaten am Patriot-Flugabwehrraketensystem an einem unbenannten Ort. © picture alliance/dpa/Bundeswehr

Kolumne: "Vergib uns unsere Schuld"

Stand: 05.03.2022 07:30 Uhr

Die Diskussionen über Waffenlieferungen an die Ukraine bringen Susanne Richter in einen Gewissenskonflikt. Sie sagt: "Wir müssen eingestehen, dass wir uns dadurch schuldig machen. Nur so können wir am Friedensideal festhalten."

von Susanne Richter

Waffenlieferungen an die Ukraine? Und immer mehr Waffen? Mich zieht die Diskussion darüber langsam in eine Sinnkrise. Mein Problem: Ich finde einfach keine Antwort, mit der ich leben kann. Die dazu passt, wie ich mir unser Leben auf der Erde eigentlich vorstelle.

Gewaltfreiheit ist Grundlage für einen Weltfrieden

Krieg darf nie wieder sein, das ist ein bedeutender Grundsatz meiner Kindheit gewesen. Gefühlt habe ich richtig viel Zeit mit meiner Kirchengemeinde auf Friedensdemonstrationen verbracht. Klar war immer: Wir müssen lernen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Das ist die Grundlage für einen Weltfrieden.

Auch Bonhoeffer hat einem Tyrannenmord zugestimmt

Als Erwachsene hat sich dann einiges innerlich verschoben. Im Theologiestudium musste ich feststellen, dass König David definitiv kein Pazifist gewesen ist, wie ich es im Kindergottesdienst gelernt habe. Und dass auch ein verehrter Theologe wie Dietrich Bonhoeffer einem Tyrannenmord zugestimmt hat. Gewalt kann also auch noch schlimmere Gewalt verhindern. Trotzdem bleibt sie Gewalt und ist damit schuldhaft. Das ist ein wichtiger Punkt. Und etwas, was ich in vielen Diskussionen jetzt vermisse. Das Eingeständnis, dass es Situationen gibt, in der wir nur noch die Wahl zwischen verschieden schlechten Möglichkeiten haben. Und dass wir darum kein gutes Gewissen haben können. Wir machen uns schuldig.

"Mit unseren Waffen werden Menschen getötet, Punkt"

Susanne Richter © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka
Pastorin Susanne Richter hofft, dass im Ukraine-Krieg Vergebung irgendwann möglich ist.

Das klingt pessimistisch und niederschmettern, ist tatsächlich aber zukunftsweisend. Nur so nämlich können wir am Ideal des Friedens festhalten. Wenn wir nicht schönreden, dass wir Waffen in ein Kriegsgebiet liefern. Mit unseren Waffen werden Menschen getötet, Punkt. Daran dürfen wir uns niemals gewöhnen. Im Gegenteil, wir müssen umso mehr alles tun, was dem Frieden im Kleinen dient. "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern." In den letzten Tagen geht mir diese Zeile des Vaterunsers öfter durch den Kopf. Ich hoffe so sehr, dass Vergebung irgendwann möglich ist. Für alle Beteiligten an diesem schrecklichen Krieg.

Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jeden Donnerstag vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 05.03.2022 | 07:30 Uhr

Ein Herz, Kreuz und Anker aus Silber vor blauem Hintergrund © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka

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