Einheitsfeier: "Ich kann diese Hochglanzpolitur verstehen"
Vor 35 Jahren fiel die Mauer. In diesem Jahr finden in Schwerin die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit vom 2. bis 4. Oktober statt. Es gibt ein vielfältiges Programm in der Landeshauptstadt.
Ich wohne ja in Schwerin und finde es hochspannend, zu beobachten, wie die Einheitsfeierlichkeiten vorbereitet werden: hier wird alles poliert und blankgeputzt, es wird Unkraut an Stellen gezupft, die jahrelang niemanden interessiert haben und es werden sogar von Straßenlaternen die Aufkleber runter gekratzt, wobei das natürlich nicht lange gedauert hat, bis die ersten Hansa-Aufkleber wieder aufgepatscht waren.
Das Wort "Frieden" taucht im Einheitsvertrag mehrfach auf
Ich war ja noch ein Kind damals, 1989/1990, und hab selbst wenig mitbekommen, zu Wendezeiten, daher habe ich mir den Einigungsvertrag nochmal genauer angeschaut. Gleich der erste Satz ist interessant: der ist sehr lang und wahnsinnig behördendeutschig, aber das Wort "Frieden" taucht mehrfach auf, ganze sechs Mal. Ich bin in friedlichen Zeiten groß geworden. Frieden ist für mich der Normalzustand. Aber wenn ich darüber nachdenke, wie die Generation vor mir den Kalten Krieg, die Mauer und die geteilte Welt erlebt hat - da wird mir klar, wie kostbar dieser Frieden ist und welches Glück ich habe, diesen erleben zu können.
"Wir gehören trotz unserer Unterschiede zusammen"
Daher kann ich diese Hochglanzpolitur verstehen, in Schwerin, denn "Einheit und Frieden" müssen geehrt, müssen gefeiert werden. Und vielleicht gehören dazu auch die Hansa-Aufkleber, die schneller wieder da sind, als man sie abkratzen kann. Sie erinnern mich daran, dass Einheit nicht bedeutet, dass wir alle gleich denken, gleich lieben oder leben müssen, sondern dass wir trotz unserer Unterschiede zusammengehören.