Adolf Hitler (l) begrüßt während des Reichsparteitags der NSDAP 1934 in Nürnberg Reichsbischof Ludwig Müller (r) © picture-alliance / dpa

Das Schweigen der Bischöfe und Päpste in der NS-Zeit

Stand: 25.01.2024 11:00 Uhr

Warum waren die katholischen Bischöfe und die Päpste so leise - in der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945? Warum haben sie vor allem geschwiegen, anstatt das nationalsozialistische Denken und Handeln zu verurteilen?

von Andreas Brauns

Die Kirchenoberen haben vor allem geschwiegen, um den Staatskirchenvertrag nicht zu gefährden: das Reichskonkordat zwischen der katholischen Kirche und dem Deutschen Reich. Bis heute gültig, unterzeichnet im Juli 1933.

Bischof von Galen begrüßte die nationalsozialiste Idee

Als kurz darauf Clemens August Graf von Galen Bischof von Münster wurde, begrüßte der Adlige die Nationalsozialisten und ihr Denken. Wollten sie doch das Vaterland retten. Dann aber wurde der Bischof von Münster zum Staatsfeind. Der "Löwe von Münster" brüllte … Sein Widerstand waren Worte - in seinen Predigten ab 1936.

Bischof Clemens van Galen (1878-1949)

Die Predigten des Münsteraner Bischofs waren das lang erwartete Signal vieler Geistlicher im Zweiten Weltkrieg. Es war der erste öffentliche Protest eines Kirchenoberen. In drei Predigten prangerte van Galen im Sommer 1941 die Ausrottung des Christentums an. Er kritisierte die Übergriffe auf die Kirche, allen voran die Euthanasie-Aktionen der Nationalsozialisten. Der mächtige Bischof galt als Erzfeind Adolf Hitlers. Wegen seines hohen Ansehens blieb er vor Verfolgung verschont. Im Ausland wurde er wegen seiner Kritik auch als "Löwe von Münster" bekannt.

Katholische Bischöfe schwiegen zur Verfolgung der Juden

Für die meisten katholischen Bischöfe des Reiches war er ein "Elefant im Porzellanladen", der wie alle anderen auch schwieg zur Verfolgung der Juden. Aber was mit geistig eingeschränkten Menschen geschah, brachte den "Löwen von Münster" dazu, Anzeige zu erstatten gegen die Gestapo. Zum Massenmord an hilflosen Geschöpfen konnte und wollte er nicht schweigen. Von Galen wäre sicher mundtot gemacht worden, hätten nicht viele Menschen hinter ihm gestanden. Er wurde nicht verhaftet, aber die sogenannten Euthanasie-Programme wurden 1941 eingestellt.

Auch Papst Pius XII. äußerte sich nicht über den Holocaust

Vier Jahre zuvor hatte Papst Pius XI. in seinem Lehrschreiben "Mit brennender Sorge" die Ideologie der Nationalsozialisten verurteilt, nicht ihr Handeln. 1939 wurde sein Nachfolger Pius XII. gewählt. Und obwohl er im Frühjahr 1942, bereits wenige Wochen nach der Wannseekonferenz, die amerikanische Regierung informiert hat über das, was auf der Konferenz besprochen wurde, äußerte er sich nie öffentlich zum Holocaust, zur Vernichtung der Juden. Warum er schwieg, ist bis heute unklar.

"Viele Juden haben den Papst um Hilfe gebeten"

Jetzt sind die Archive des Vatikans geöffnet. Und viele Dokumente, die noch zu sichten sind, tragen hoffentlich zu einer Antwort bei. Heute ist bekannt: Viele Juden haben den Papst um Hilfe gebeten. Zu wenige wurden gerettet. Denn oft kamen die Bittbriefe nur in die Ablage, weil auch im Vatikan Menschen arbeiteten, die antisemitisch eingestellt waren. Familien und Ordensgemeinschaften haben Juden versteckt. Doch ein Aufruf des schweigenden Papstes, so zu handeln, wurde bis heute nicht gefunden in den Archiven.

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Hermann Lange, Johannes Prassek, Eduard Müller und Karl Friedrich Stellbrink. (Montage, v.l.n.r.) © picture aliance/dpa Foto: Erzbistum Hamburg

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Kirche im NDR | 27.01.2024 | 09:15 Uhr

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