Eine Collage von Schauspieler*innen der #allesdichtmachen-Kampagne: Obere Reihe l-r Jan-Josef Liefers, Nina Proll, Nadja Uhl, mittlere Reihe l-r Ulrich Tukur, Wotan Wilke Möhring, Maxim Mehmet und untere Reihe l-r Katharina Schlothauer, Peri Baumeister, Richy Müller. © picture alliance/dpa/Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube

#allesdichtmachen: Trotz und Zerknirschung bei den Machern der Kampagne

Stand: 05.05.2021 09:58 Uhr

Rund 24 Stunden nach Start der umstrittenen Aktion #allesdichtmachen wird klar, wer dahinter steckt. ZAPP hat mit einem der Initiatoren gesprochen. Er gibt sich von der Kritik überwältigt, einige Schauspieler haben sich inzwischen distanziert oder entschuldigt.

von Nils Altland & Jochen Becker

Eine Serie von Videoclips hat am Donnerstagabend eine heftige Debatte ausgelöst. 52 deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler geben darin kurze Statements ab, in denen sie mit viel Ironie die aktuelle Corona-Politik kritisieren: Volker Bruch, der Hauptdarsteller aus Babylon Berlin, fordert etwa von der Regierung: "Macht uns mehr Angst!". Tatort-Schauspielerin Ulrike Folkerts behauptet in einer Art dadaistischem Gedicht: "Weil ich das Meer liebe, will ich mehr - mehr Maßnahmen." Jan Josef Liefers bedankt sich raunend bei allen "Medien unseres Landes", die angeblich "dafür sorgen, dass kein unnötiger kritischer Disput uns ablenken kann von der Zustimmung von den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung."

Die Botschaft dahinter bleibt ironisch vage, klar ist jedoch: Die Künstler und Künstlerinnen richten sich gegen die aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus und eine vermeintlich regierungstreue, unkritische Öffentlichkeit. Die Reaktionen in den sozialen Medien sind wie gewohnt polarisiert: In Tausenden Tweets wurde den Schauspielern vorgeworfen, in der aktuell angespannten Lage der Pandemie Öl ins Feuer zu gießen. Zugleich wurden die Videos unter anderem von Vertreterinnen und Vertretern der AfD und der sogenannten "Querdenken"-Bewegung gefeiert.

Planung bereits seit Februar

Zu den Initiatoren der umstrittenen Aktion zählen die Schauspieler Volker Bruch, Jan Josef Liefers und der Drehbuchautor und Regisseur Dietrich Brüggeman. Dies bestätigt der Münchner Filmproduzent Bernd K. Wunder, der als Verantwortlicher im Impressum der Homepage www.allesdichtmachen.de geführt wird, gegenüber ZAPP. (Nachtrag 5. Mai 2021: Das Management von Jan Josef Liefers hat sich bei ZAPP gemeldet und dieser Darstellung widersprochen. Liefers gehöre nicht zu den Initiatoren der Aktion #allesdichtmachen. Er sei von Brüggemann angesprochen worden. ZAPP hatte vor Veröffentlichung dieses Artikels das Management per Mail angefragt, aber keine Antwort erhalten.)

Wunder zufolge ist die Idee "in persönlichen Gesprächen einer Gruppe Filmschaffender" bereits im Februar entstanden. Sie hätten das Gefühl geteilt, dass kritische Stimmen zur Corona-Politik nicht ausreichend gehört wurden. Man habe gewollt, "dass diese Debattenkultur nicht verloren geht" und überlegt, wie man sich dazu äußern könne.

Alles sei ohne Anschub oder Finanzierung von außen aus der Gruppe heraus entstanden. Man habe die Texte, die in den Videos vorgetragen werden, untereinander ausgetauscht und redigiert. Einige, darunter Jan Josef Liefers, hätten ihre Texte komplett selbst geschrieben. Dietrich Brüggemann und Bernd K. Wunder hätten die Videos dann an mehreren Tagen in Berlin, München und Wien selbst gedreht und anschließend geschnitten.

Schauspiel-Agenturen kritisieren die Aktion

Die Künstleragenturen, die normalerweise die kreativen und sozialen Engagements der Schauspielerinnen und Schauspieler koordinieren, waren offenbar nicht eingebunden. Entsprechend groß ist bei vielen der Ärger. "Ich habe allen gesagt, dass das eine saublöde Idee ist", erzählt eine Agentin im Hintergrund gegenüber Zapp. Von den Plänen wisse sie schon seit Anfang März, die Aktion habe sich "ausgehend von einer Handvoll Leuten in konzentrischen Kreisen über persönliche Netzwerke verbreitet". Erstaunlich sei die Dichte der Tatort-Kommissare, gerade so als hätten die eine eigene WhatsApp-Gruppe, spottet die Agentin.

Einkalkulierter Gegenwind

Von der Reaktion sei die Gruppe "überwältigt und überrascht, natürlich auch angespannt", so Bernd K. Wunder. "Wir hatten mit Gegenwind gerechnet, aber nicht, dass er so heftig ausfällt." Gegenüber ZAPP distanziert er sich klar von Verschwörungsideologen und Pandemieleugnern ebenso wie von der AfD, mit denen er sich in eine Ecke gestellt fühlt. Stattdessen wolle er mit der Kampagne eine Lücke in der aktuellen Debatte füllen: "Wir sind bei all jenen, die zwischen die Fronten geraten sind. Den Verängstigten, den Verunsicherten und Eingeschüchterten und jenen, die verstummt sind. Wir wollen in einer pluralistischen (...) Gesellschaft leben, in der Meinungen auf der Basis von gegenseitigem Respekt, guter Argumente und individueller Sorgen besprochen werden können, ohne dass jene, die eine Meinung äußern, verunglimpft, beleidigt oder gar bedroht werden."

Dabei ist der Vorwurf gegenüber Wunder, er würde der Szene der Pandemieleugner inhaltlich nahestehen, nicht unbegründet. Im Mai bzw. im August 2020 nannte er Befürworter der Corona-Maßnahmen auf Instagram "Mundschutzknappen" und "Coronazis" - Schmähwörter, wie sie in der "Querdenken"-Bewegung häufig verwendet werden. Über den SPD-Politiker Karl Lauterbach sagte er im Juli 2020, nachdem dieser bei Markus Lanz über mögliche Masseninfektionen in Kinos gesprochen hatte: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Klappe halten…". Meinungsaustausch "auf der Basis von gegenseitigem Respekt" klingt anders.

Beteiligte nehmen Abstand

Inzwischen haben sich einige Schauspieler von der Aktion distanziert und ihre Videos zurückgezogen: Von den ursprünglich 53 Clips waren am späten Freitagnachmittag, knapp 24 Stunden nach der Veröffentlichung, nur noch 46 online. Heike Makatsch schreibt bei Instagram: "Ich distanziere mich klar und eindeutig von rechtem Gedankengut und rechten Ideologien. Schon immer". Die Nachfrage, ob sie sich damit auch von den Initiatoren der Kampagne distanziert, ließ ihr Management gegenüber ZAPP bislang unbeantwortet. Ihr Video ist jedenfalls nicht mehr auf dem YouTube-Kanal der Kampagne zu finden.

Jan Josef Liefers schob nach seinem ersten Instagram-Post noch eine "Klarstellung" hinterher: "Eine dahin orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern u.ä. weise ich glasklar zurück.". Bei seiner Kritik an Politik und Medien bleibt er aber. Schauspieler Kostja Ullmann schrieb ebenfalls auf Instagram: "Manchmal ist es besser, einen Moment länger nachzudenken." Mitinitiator Volker Bruch hat sich bislang noch nicht auf eine ZAPP-Anfrage geäußert.

"Sie dachten sich "Hey, das wird polarisieren!" Im Nachhinein halten es jetzt sicher viele für einen großen Fehler", vermutet die Agentin. Sie haben den Applaus aus der rechten Ecke wohl unterschätzt und nicht bedacht, was die Aktion für ein Schlag ins Gesicht von Ärzten und Pflegekräften sei. Dramatisch sei, dass die gesamte Branche durch diese Aktion Schaden nehme und gespalten sei. Schließlich hätten viele, die angefragt wurden, bewusst nicht mitgemacht.

Sinnvoller Debattenbeitrag?

Sieht so ein sinnvoller "Beitrag zur Debattenkultur" aus? So droht die Aktion jedenfalls genau jene zu bestätigen, die immer schon meinten, dass all jene, die sich kritisch äußern, in eine rechte Ecke gestellt werden. Wer aber mit rechten Narrativen von fehlender Meinungsfreiheit und totalitärer Corona-Politik spielt, muss genau damit rechnen. Und das haben die Initiatoren um Bernd K. Wunder offenbar auch getan: "Uns war klar, dass es passieren würde, aber es darf nicht sein, das man sich gar nicht mehr äußern darf". Man sehe die Aktion als Kunst. "Und als solche wollen wir es auch stehen lassen."

Wie schnell die Aktion von Quertreibern missbraucht wird, zeigt ein falsches Statement der ARD, das in den sozialen Netzen kursiert. Demnach überlege die ARD, Produktionen mit den betroffenen Künstlerinnen und Künstlern einzufrieren, doch das Statement ist ein Fake. Die offizielle Stellungnahme der ARD dazu lautet: "Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler sprechen für sich selbst auf ihrer eigenen Plattform. Allen steht das Recht zu, ihre Meinung zu äußern."

Korrektur: In einer früheren Fassung des Textes schrieben wir von 53 Schauspieler*innen. Das war falsch. Die richtige Zahl lautet 52.

Weitere Informationen
Ocke Bandixen © NDR Foto: Andreas Sperling

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur - Das Journal | 23.04.2021 | 15:06 Uhr

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