Stand: 26.04.2016 15:45 Uhr

Sophienhof: Protokoll eines Medienhypes

von Bastian Berbner

Diese Meldung passte ins Bild. Ende Februar gab die Kieler Polizei bekannt, dass im Einkaufszentrum Sophienhof drei junge Frauen von afghanischen Asylbewerbern belästigt worden seien. Die Übergriffe von Köln waren noch nicht lange her. Da überraschte es nicht wirklich, dass sich eine ähnliche Situation jetzt in Kiel ereignet haben sollte. Dort sei, so interpretierten Zeitungen die Pressemeldung der Polizei, ein regelrechter Sex-Mob am Werk gewesen. Die Meldung schaffte es abends in die Tagesschau und selbst Fox News in den USA berichtete.

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Journalisten schreiben Polizeimeldung ab

Nur hatte die Geschichte einen Haken: Sie stimmte nicht. Die Mädchen wurden nicht von 20 bis 30 Männern mit Migrationshintergrund belästigt, wie die Polizei geschrieben hatte. Sie wurden auch nicht verfolgt oder gefilmt, wie es in der Pressemitteilung hieß. Sie wurden angebaggert und kriegten es mit der Angst zu tun. Augenzeugen sagen: völlig harmlos.

Aber so genau haben das die Journalisten zunächst offenbar nicht wissen wollen. Statt zu recherchieren, schrieben sie die falsche Polizeimeldung ab und empörten sich reflexartig über die kriminellen Asylbewerber.

Selbstkritik bei der Polizei

Aus einer harmlosen Anmachsituation, wie sie jeden Tag in Deutschland vorkommt, wurde in 24 Stunden ein Nachrichtensturm. Aus dem Nichts wurde eine Topmeldung. Wie konnte es dazu kommen?

Polizei und Medien sahen sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit Monaten dem Vorwurf ausgesetzt, Flüchtlingskriminalität zu verschweigen. Die Kieler Polizei sagt im Interview, die falsche Kommunikation im Falle Sophienhof habe mit diesem gesellschaftlichen Klima zu tun: "Wir fühlten uns gedrängt und getrieben. Wir wollten uns nicht vorwerfen lassen, dass wir verheimlichen, dass wir nicht berichten, was in dieser Stadt passiert." Weiter erklärt die Polizei: "Wir haben bereits Ende Oktober die Direktive erarbeitet, dass Sachverhalte mit Flüchtlingsbezug proaktiv an die Öffentlichkeit gebracht werden. Wenn wir irgendwelche Delikte haben mit Flüchtlingsbezug, dann berichten wir darüber, auch wenn wir bei Deutschen nicht darüber berichten würden."

Die Berichterstattungsschwelle liegt hier also niedriger - im Fall Sophienhof mit fatalen Folgen, die auch die Polizei bedauert. Heute würde sie in einem solchen Fall anders kommunizieren, sagt sie, vorsichtiger und langsamer. Die Journalisten, die einen mindestens ebenso großen Fehler machten, indem sie die Meldung ungeprüft übernahmen, wollten nicht mit ZAPP sprechen.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 27.04.2016 | 23:20 Uhr

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