Zeitreise: Dachbodenfund in Wahlstorf erzählt von Abenteuern in Asien
Ein besonderer Fund auf einem Dachboden in Wahlstorf veranlasste Louise von Plessen, ein Buch über einen fast vergessenen Filmregisseur zu schreiben: Friedrich Dalsheim.
Ob Victor Baron von Plessen wohl an die balinesischen Tempeltänzerinnen gedacht hat, wenn er über die Felder von Gut Wahlstorf (Kreis Plön) ging, um die Getreideernte zu beaufsichtigen? Hat er sich an die Kopfjäger von Borneo erinnert, wenn er auf der heimischen Schwentine auf Entenjagd war? Und was ging ihm durch den Kopf, wenn er im Kino in Preetz seine alten Filme zeigte, für die sein Freund Friedrich Dalsheim die Regie gemacht hatte? Der Gutsherr von Wahlstorf war zuständig für einen großen landwirtschaftlichen Betrieb, aber in seinem Herzen, so erzählen viele, die ihn kannten, blieb er ein Forschungsreisender.
Ein Archiv in Reisekoffern

Vor etwa zehn Jahren fanden Mitglieder seiner Familie auf dem Dachboden des alten Herrenhauses sein Archiv, versteckt in alten Reisekoffern. 1980 war Victor Baron von Plessen gestorben. Seine Tochter hatte immer gesagt, sein Archiv sei in den Kriegswirren verloren gegangen. Nun entdeckten sie Briefe, Dokumente, Fotos und Filme. Aber die vielleicht größte Entdeckung ist die Korrespondenz mit Friedrich Dalsheim. Der Regisseur ist heute fast vergessen. Dabei gehören die vier Filme, die er gemacht hat, zu Meilensteinen des ethnografischen Kinos. Zwei von ihnen hatte er gemeinsam mit dem holsteinischen Baron gedreht. Als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, grenzten diese Dalsheim aus und verhinderten, dass er weitere Filme machen konnte. Er ging nach Zürich und hoffte nach Amerika auszuwandern. Aber als er aus Geldmangel seine geliebte Kamera verkaufen musste und er das Gefühl hatte, dass ihm nichts blieb, hatte er sich selbst getötet. Durch die entdeckten Briefe, Fotos und Filme kann er jetzt wieder entdeckt werden.
Dreharbeiten auf Augenhöhe
Louise von Plessen ist die Ur-Großnichte des Barons und hat nun ein Buch über Friedrich Dalsheim geschrieben. Sie erinnert damit an einen bedeutenden Regisseur, dessen Blick auf die indigenen Völker, die er besuchte und über die er Filme drehte - immer frei von Sensationsgier. Er versuchte mit ihnen, Filme zu entwickeln, in denen sich Regisseur und "Schauspieler" auf Augenhöhe befanden. Das verband ihn auch mit Victor Baron von Plessen. Beide haben sich in Berlin kennengelernt und eine gemeinsame Arbeit vereinbart. Da war der Baron schon als Ornithologe in Südostasien unterwegs. 50 Vogelarten sind nach ihm benannt. Er kennt die Sprache der Menschen dort. Und mit seiner Hilfe gestaltete Dalsheim 1933 den Film "Die Insel der Dämonen" und 1936 "Die Kopfjäger von Borneo". Es sind Dokumentations- und Naturfilme mit Spielhandlung.
Louise von Plessen erzählt, dass ihr Ur-Großonkel und Dalsheim nicht mit einem fertigen Drehbuch zu den Menschen auf Bali und Borneo gefahren waren, sondern es mit den Menschen gemeinsam entwickelt hatten. Sie haben sich alte Legenden angehört, die Menschen beobachtet und dann eine Spielhandlung entworfen, die der authentischen Lebensweise entsprach. Die "Perspektive des Anderen" einzunehmen und sie gleichberechtigt zu behandeln, dass sei den beiden Männern wichtig gewesen. So sind Filme entstanden, die noch heute eine ganz eigene Kraft haben und von einer Zeit berichten, als die Zivilisation noch nicht in den Dörfern Südostasiens angekommen war, um die dortigen Lebensweisen zu zerstören.
Ausgrenzung und Verfolgung
Das Tragische ist, sagt Louise von Plessen, dass gerade der Mann, der sich für die Perspektive und Gleichwertigkeit des "Anderen" eingesetzt hatte, nun selbst in seiner Heimat zum "Anderen" wurde - und Verfolgung ausgesetzt war. Friedrich Dalsheim war 1895 in Frankfurt am Main geboren, promovierte als Jurist, bis er sich für den Film begeisterte. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er zum Ausgegrenzten und Verfolgten, bis die Nazis ihn schließlich in den Tod trieben.
Der Dachbodenfund in Wahlstorf ist ein Glücksfall. Ein richtiger Schatz und eine echte Offenbarung. Louise von Plessen hat nun ein Buch mit Hilfe des Fundes geschrieben und erinnert an den deutschen Regisseur. Das Buch berichtet nicht nur von der Wiederentdeckung eines bedeutenden deutschen Filmemachers und Ethnographen, sondern auch von der Freundschaft zweier Männer, die Neugier und Mut verbunden hatte, fremde Kulturen kennenzulernen und sich auf sie einzulassen.
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