Alan Gilbert & Klaas Stok: Mythos Heldentum
Echte Helden? Das NDR Elbphilharmonie Orchester und das NDR Vokalensemble spüren am 4. und 7. Februar dem Mythos in der Musik nach - u. a. mit Henzes "Orpheus" und Beethovens "Eroica".
"Elektra" und andere Anti-Helden
Im Vorfeld der Aufführungen von Richard Strauss’ "Elektra" widmen sich das NDR Elbphilharmonie Orchester und das NDR Vokalensemble unter ihren Chefdirigenten Alan Gilbert und Klaas Stok im gemeinsamen Konzert weiteren Helden-Mythen in der Musik. Dabei wird deutlich: Schon das oft besungene Heldentum an sich ist ein einziger Mythos. Denn so wie Elektra in ihrem vermeintlich aufopferungsvollen Kampf gegen das Unrecht selbst zur besessenen Mörderin wird, so "versagen" auch die Protagonisten dieses Konzertprogramms: Orpheus kann seine Frau Eurydike nicht aus der Unterwelt befreien, weil er sich nach ihr umschaut; Napoleon, dem Ludwig van Beethoven ursprünglich seine "Eroica" widmen wollte, tritt die von ihm proklamierten Menschenrechte mit Füßen; und auch Prometheus, ein weiterer verborgener "Widmungsträger" der selbst zum Mythos gewordenen Sinfonie, macht als sagenhafter Urheber der menschlichen Zivilisation manchen Fehler …
Jóhannsson, Rautavaara, Henze: Orpheus im Blick
Für den ersten Teil des gemeinsamen Konzerts der beiden NDR Ensembles hat Klaas Stok Chorwerke zusammengestellt, die den Orpheus-Mythos in sehr unterschiedlicher Weise beleuchten. Für Hans Werner Henze, der 2026 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, war Musik stets auch ein Sprachrohr, um auf politische Missstände der Gegenwart aufmerksam zu machen. Die Vertonung einiger Gedichte, die der englische Dramatiker Edward Bond ursprünglich als Kommentar zu seinem "Orpheus"-Ballett schrieb, waren 1983 etwa zugleich als Protest gegen die argentinische Militärregierung gedacht. Demgegenüber interessierte Rainer Maria Rilke, dessen "Sonette an Orpheus" der finnische Komponist Einojuhani Rautavaara für Chor vertonte, eher die Bedeutung des legendären Sängers als Pionier der Kunst. Für den 2018 verstorbenen Isländer Jóhann Jóhannsson wiederum war Orpheus ein Symbol für "das ungreifbare Wesen der Schönheit und ihre mitunter schwierige Beziehung zum Künstler."
Mythos Beethovens "Eroica"
Ludwig van Beethovens "Eroica" in "heroischem" Es-Dur wurde von den Nachgeborenen selbst zum Mythos in der Geschichte der Sinfonie erklärt: Vom ersten Takt an "zwingt" das Werk das Publikum zum aufmerksamen Zuhören, zum Erfassen auch der inhaltlichen Botschaften der Musik - die Zeiten niveauvoller "Unterhaltung" waren damit vorbei. Wovon die Sinfonie genau erzählt, bleibt allerdings ein Geheimnis: Laut Titel wird die "Erinnerung an einen großen Mann" gefeiert - vielleicht der antike "Held" Prometheus, den Beethoven mit dem Zitat einer Melodie aus seinem "Prometheus"-Ballett heraufbeschwört?
Autor: Julius Heile
