Stand: 13.03.2019 12:24 Uhr

"Internet ist aus dem Alltag nicht wegzudenken"

Porträtfoto des Netz-Experten Prof. Dr. Wolfgang Schulz. © Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin Foto: Marcel Schwickerath
Das Internet habe den Zugriff auf das Weltwissen "so einfach wie noch nie" gemacht, meint Wolfgang Schulz.

Als vor 30 Jahren die Idee für das World Wide Web bekannt wurde, meinte Microsoft-Mitgründer Bill Gates, es sei nur "ein Hype". Da irrte der Mann aber gewaltig. Kaum jemand mag sich heute eine Welt ohne Internet vorstellen. Menschen aus aller Welt können miteinander kommunizieren. Immer mehr Beschäftigte arbeiten von zu Hause aus. Und sehr viel Wissen dieser Welt steht mit einem Mausklick zur Verfügung. Einige der negativen Aspekte sind Hackerangriffe, Fake News oder Cybermobbing.

Im NDR Info Interview spricht Wolfgang Schulz, Direktor am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin und am Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg, über die Vor- und Nachteile und darüber, wie sehr er sich längst an das weltweite Netz gewöhnt hat.

Herr Schulz, 30 Jahre World Wide Web: Ist das ein Grund zu feiern?

Wolfgang Schulz: Ja, ganz eindeutig. So einfach war der Zugriff auf das Weltwissen noch nie. Das ist uns sehr selbstverständlich geworden. Vor Jahrzehnten hätte man für die Dinge, die wir jetzt mal so eben auf unserem Mobilfunkgerät abrufen, in Bibliotheken gehen oder gar in andere Länder fahren müssen. Deshalb ganz eindeutig: ja!

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Was hat sich aus Ihrer Sicht am stärksten verändert durch das Internet? Wie tief greift das inzwischen auch in unseren Alltag?

Schulz: Es greift sehr tief, natürlich. Vor allen Dingen, weil der Zugriff auf Informationen so einfach geworden ist - und zwar ganz unterschiedlicher Art. Ich habe neulich festgestellt, dass ich mich fast geärgert habe, dass ich einen bestimmten Fährkalender in Indonesien nicht sofort auf Knopfdruck bekommen habe. Daran merkt man schon, wie selbstverständlich es geworden ist, dass mir im Prinzip alles, das irgendwo verfügbar ist, auf Knopfdruck bereitsteht. Ich war an der Kongressbefragung in Washington live zuschauend beteiligt, als Michael Cohen, der Anwalt von Donald Trump, vor zwei Wochen angehört wurde. Und wenn ich mir ein bestimmtes Rentenkonzept von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angucken will, kostet mich das auch nur einen Knopfdruck. Ich glaube, dass betrifft sehr, sehr viele Bereiche unseres Lebens. Eigentlich alle Bereiche des Lebens. Das Arbeitsleben, die Art, wie wir lernen, die politische Kommunikation. Und alle anderen Dinge, wie Reiseplanung und sonstige Dinge. Das Internet ist eigentlich aus unserem Alltag nicht wegzudenken.

Wenn wir einen Blick auf die Arbeitswelt werfen: Da gibt es ja durchaus auch Befürchtungen, die Digitalisierung vernichte Arbeitsplätze. Wie sehen Sie das?

Schulz: Die Diskussionen gibt es natürlich, die sind auch nicht unberechtigt. Die werden im Augenblick ja auch noch einmal verstärkt vor dem Hintergrund des Themas "Künstliche Intelligenz" geführt. Dass es da Veränderungen der Anforderungen gibt, dass es auch Tätigkeiten gibt, die sich künftig verändern oder auch wegfallen werden, das ist evident. Diejenigen, die darüber forschen, haben einen sehr differenzierten Zugang dazu, weil sie nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass immer nur alles wegfällt und jetzt nichts qualifiziertes Neues entstehen würde. In vielen Fällen verändern sich eben Arbeitsbedingungen und es besteht auch die Möglichkeit, sich auf Dinge zu konzentrieren, die wirklich wichtig sind. Es findet eine Entlastung statt von Routine-Tätigkeiten. So ist das ja beim technischen Fortschritt bisher eigentlich immer gewesen - und im Bereich der Digitalisierung ist das sicher auch zu beobachten.

Bei allen Vorteilen, die das Internet bietet und die Sie jetzt ja auch schon angesprochen haben: Es gibt auch zahlreiche Gefahren. Circa 55 Millionen Euro Schaden richten Cyber-Kriminelle jedes Jahr in Deutschland an. Cyber-Mobbing ist ein großes Problem, der Umgang mit unseren Daten auch. Wie beeinflusst das denn unseren Alltag?

Schulz: Das sollte unseren Alltag sicherlich dahingehend beeinflussen, dass wir uns mehr Gedanken um das Thema Sicherheit machen. Immer noch ist zu beobachten, dass das Problem im Prinzip bei vielen bekannt ist, man sich aber trotzdem nicht groß Gedanken über Verschlüsselung macht und nicht viele Gedanken darüber, welche Informationen jetzt bei wem tatsächlich landen sollten. Die Bequemlichkeit, die wir da alle haben in diesem Bereich - oder jedenfalls viele von uns -, ist ein Thema. Also die risiko-adäquate Wahrnehmung der Gefahren, die da tatsächlich drohen, die ist nicht einfach für die Bürgerinnen und Bürger. Und da ist sicherlich eine ganze Menge zu tun, was wir selbst zu erledigen haben, indem wir uns kompetenter machen. Aber auch im Hinblick auf die Informationen, die uns da andere zur Verfügung stellen müssen, damit wir das überhaupt können.

Das Interview führte NDR Info Moderatorin Liane Koßmann.


13.03.2019 12:14 Uhr

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version begann dieser Artikel mit den Worten "Als vor 30 Jahren die Idee für das Internet bekannt wurde ..." Das ist falsch, da es das Internet bzw. dessen Vorläufer Arpanet bereits seit Ende der 1960er-Jahre gibt/gab. Richtig muss es heißen: "Als vor 30 Jahren die Idee für das World Wide Web bekannt wurde ..." Wir haben den Fehler, für den wir um Entschuldigung bitten, korrigiert.

 

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NDR Info | Aktuell | 12.03.2019 | 06:50 Uhr

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