VIDEO: Landeskirche Hannover nimmt Stellung zu sexualisierter Gewalt (4 Min)

Missbrauchsfälle: Landesbischof Meister räumt Fehler ein

Stand: 15.03.2024 12:51 Uhr

Der evangelische hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat Fehler im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt in seiner Kirche eingeräumt. Einen Rücktritt lehnt er aber ab.

"Ich habe nach Abwägung und Gewissensprüfung entschieden, im Dienst zu bleiben", sagte Meister am Freitag in Hannover. Gleichzeitig räumte er Fehler ein. Es sei "unsensibel und falsch" gewesen, Betroffene ab 2011 an das zuständige juristische Dezernat zu verweisen. "Ich habe mit dazu beigetragen, dass Betroffene weiterhin nicht angemessen gehört wurden", sagte der 62-Jährige. Er habe bereits begonnen, Gespräche mit Betroffenen zu führen und stehe weiter für Gespräche bereit.

Kreuz  auf einem Wörterbuch mit dem Wort "Missbrauch" © picture alliance / CHROMORANGE Foto: Christian Ohde
AUDIO: Sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche - Warum fällt Aufarbeitung so schwer? (43 Min)

Betroffene von Missbrauch fordert Meisters Rücktritt

Es geht um einen mutmaßlichen Missbrauchsfall aus den 1970er-Jahren in Oesede im Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte. In der dortigen evangelischen Kirchengemeinde soll ein angehender Diakon mindestens acht Kinder missbraucht haben. Eine unabhängige Untersuchung warf der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers schwere Versäumnisse und Fehler im Umgang mit den Fällen vor. Obwohl die Kirche seit Mitte der 1970er-Jahre von Vorwürfen gewusst habe, habe jahrzehntelang keine Aufarbeitung des Falls stattgefunden. Eine Betroffene, die den Aufarbeitungsprozess im Jahr 2021 initiiert hatte, forderte personelle Konsequenzen.

Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe begann erst 2021

Sie würde einen Rücktritt von Landesbischof Ralf Meister für wichtig und richtig halten, sagte die Betroffene dem NDR Niedersachsen. Sie sprach von zerstörtem Vertrauen. Bis heute habe sich Meister nicht persönlich bei ihr für das Versagen der Landeskirche entschuldigt. Die Frau gab an, als Elfjährige von dem angehenden Diakon in Oesede sexuell missbraucht worden zu sein. Der Fall sei in jener Zeit von der evangelischen Kirche vertuscht worden, hieß es in dem Bericht der Aufarbeitungskommission. Die Betroffene hatte sich in den Jahren 2010 und 2020 an kirchliche Verantwortungsträger der Landeskirche gewandt und von ihrem Fall berichtet. Der Studie zufolge gab es damals zunächst kein konsequentes Handeln der Landeskirche. Eine systematische Aufarbeitung begann erst 2021 und führte zu der jüngst vorgestellten Studie.

Studie spricht von Defiziten und Überforderung der Kirche

Ralf Meister ist seit 13 Jahren Bischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. In der wissenschaftlichen Studie ist mit Blick auf die kirchliche Ansprechstelle für Betroffene von Defiziten und Überforderung die Rede. Die Kirche habe davon gewusst, aber erst vor drei Jahren reagiert.

Bundesweite Studie: Forschende kritisieren EKD

Ende Januar war in Hannover eine bundesweite Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und in der Diakonie vorgestellt worden. Auch darin hatte das Forscherteam kritisiert, dass Betroffene in der Vergangenheit meistens von der evangelischen Kirche allein gelassen und ihre Erfahrungen lange ignoriert worden seien.

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