Bergsteiger auf dem Gipfel. © Fotolia.com Foto: Norman Chan

"Wir sind Wanderer auf den Straßen unseres Lebens"

Stand: 18.04.2024 11:20 Uhr

Obwohl sich die Menschen nicht kennen, wird unter Wanderern immer freundlich gegrüßt. Ein "Hallo", "Grüß Gott" oder auch ein freundlicher Blick sorgt für mehr mehr Offenheit und Gesprächsbereitschaft.

von Pastor Sieghard Wilm

Ich wandere gerne, am liebsten in den Bergen. Wo kein Haus in Sicht ist, wo keine Straße hinführt, da fühle ich mich richtig wohl. Auf Wanderwegen gehe ich mit meinen Bergstiefeln Schritt für Schritt. Am Fuß des Berges sind noch viele andere Menschen. Familien, die Tagesausflüge mit Picknick machen. Bei schönem Wetter ist da richtig was los. Ab einer gewissen Höhe ändert sich das. Manchmal dauert es eine halbe Stunde, bis mir andere Wanderer begegnen.

Wanderer bilden eine Weggemeinschaft auf Zeit

Am späten Nachmittag wird es noch einsamer. Wer jetzt noch in den Bergen ist, der hat sich darauf eingestellt, dort zu übernachten. Zelt und Schlafsack sind im Rucksack dabei. Was auffällig ist: Jetzt grüßen sich alle Wanderer. Wie auf Verabredung. Manchmal ergibt sich ein Gespräch. Woher und wohin? Ist der Pfad gut sichtbar oder verschüttet? Wie viele Stunden sind es bis zum Höhengrad? Wo gibt es frisches Quellwasser? Aus Einzelnen entsteht eine Weggemeinschaft auf Zeit. Als wenn alle spüren, dass sie aufeinander angewiesen sind. Im Notfall würde man ja die Hilfe der anderen brauchen.

"In der Masse macht der Einzelne eher dicht"

Vielleicht versteht deshalb jeder und jede, dass es nicht gut ist, grußlos und grimmig an den anderen vorbeizugehen. Einmal stieg ich durch einen dicken Nebel einen Hang hoch. Die entgegenkommenden Wanderer erzählten mir, dass in hundert Höhenmetern die Nebelwand zu Ende sei. Das hat mir frischen Mut gegeben. Zurück in der Großstadt denke ich noch an die Berge und die Begegnungen. Die Menschenmassen in der Fußgängerzone strömen an mir vorbei. Hier grüßt keiner. In der Masse macht der Einzelne vor den Anderen eher dicht. Irgendwie verständlich.

"Wir sind doch eigentlich alle Wanderer"

Aber kann uns nicht doch mehr Offenheit und Gesprächsbereitschaft auch mit Unbekannten möglich sein? Ein Moin, ein Hallo und ein freundlicher Blick. Vielleicht ist es sogar aufregend schön. Wir sind doch eigentlich alle Wanderer, unterwegs auf den Straßen unseres Lebens. Wie gut, wenn uns einmal jemand fragt: Woher und wohin? Und wir einander erzählen von den Lebenswegen, dem Quellwasser und davon, dass über den Wolken die Sonne scheint.

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Dieses Thema im Programm:

Kirche im NDR | 19.04.2024 | 10:40 Uhr

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