Kolumne: Mehr als "schöne Grüße von irgendwo"
Postkarten sind kleine Geschenke - wenn sie das eigene Urlaubsgefühl beschreiben und spürbar werden lassen. Jetzt ist die richtige Zeit, diese Kunst wieder einzuüben.
Die Skyline von Singapur, der Blick auf den Brocken im Harz, das Dornröschenschloss oberhalb des Neckars. Manche Postkarte hängt bei uns schon viele Jahre an der Küchen-Pinnwand. Auf der Rückseite stehen Urlaubsgrüße: Gipfelerlebnisse mit den Kindern, Wortspiele über das Essen, atmosphärische Eindrücke, die manchmal geradezu poetisch klingen: über Lichtspiele am Himmel, Düfte auf dem Markt, wie der Sand sich zwischen den Zehen anfühlt.
Handgeschriebene Urlaubsgrüße sind selten geworden
Da schwingt schon ein wenig Nostalgie mit bei mir. Denn die allermeisten Urlaubsgrüße werden inzwischen per Messenger-Dienst verschickt, mehr als 60 Prozent. Jammerschade. Denn Ansichtskarten, dazu noch handgeschrieben, sind Geschenke. Sie lösen Freude aus. Vorausgesetzt es steht ein bisschen mehr drauf als "schöne Grüße von irgendwo". Vielleicht ein paar Zeilen zum Sonnenuntergang? "Abends glühen die Berge rosaorange. Dieses Leuchten habe ich in mir aufgenommen, sende Dir einen Funken." Wem das zu schmalzig klingt, der notiert einfach den Vers an der alten Kirche oder den launigen Spruch aus dem Gasthaus. Eine gute Grundlage bietet manchmal auch die Urlaubslektüre. Zum Beispiel die Gedichte von Ernesto Cardenal über den Himmel. "Wie oft haben wir vom Sand aus zu den Sternen geschaut, von denen wir gekommen sind (aus: Zyklus der Sterne, 20)."
Natürlich braucht es ein wenig Zeit, bis diese zwei, drei Sätze gefunden sind, die das eigene Urlaubsgefühl beschreiben und spürbar werden lassen. Aber jetzt ist genau die richtige Zeit, sich wieder in diese Kunst einzuüben. Es lohnt sich.
Postkarten halten Sehnsucht wach
Diese Zeilen müssen übrigens gar nicht von ganz weit weg kommen. Alle Ferientrips, Reisen, Ausflüge sind doch kleine Fluchten entlang der Grenze zum verlorenen Paradies. Und danach dürfen Urlaubs-Postkarten auch gerne klingen, finde ich. Sie sollen die Sehnsucht wachhalten, dass unser Leben mehr ist als "Mühe und Arbeit" (Psalm 90,10). Die Bibel hat ein Wort dafür: Segen. Und davon dürfen gerne noch mehr Ansichtskarten an ganz vielen Pinnwänden erzählen.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Regelmäßig vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.