Der illegal gemalte Fußgängerüberweg in Langenhorn. © CityNews TV

Kolumne: "Heilige Streifen"

Stand: 15.05.2025 14:45 Uhr

Ein Zebrastreifen aus Überzeugung - illegal, aber mit Herz: Im Hamburger Stadtteil Hoheluft-West haben Eltern eines "Widerstands-Kollektivs" selbst zur Farbe gegriffen, um Kinder zu schützen.

von Radiopastor Heiko von Kiedrowski

Der Hamburger Stadtteil Hoheluft-West scheint am Rande des Abgrunds zu stehen. Mitten in der Nacht schleichen renitente Bewohner mit Pinsel und Farbe durch die Straßen und sorgen für Aufregung. Was sie da auf den Asphalt pinseln, ist zugegebenermaßen keine Kunst, hat aber große Wirkung: Mitten auf die Straße zwischen einer Kita und einer Grundschule haben sie einen Zebrastreifen gemalt, weil sie überzeugt sind, Kinder brauchen mehr Schutz. Illegal, aber trotzdem soll die Fahrbahnmarkierung funktioniert haben, bis die Polizei den Übergang für 300 Euro hat verschwinden lassen, auf Anweisung der Bezirksamtes Eimsbüttel.

"Widerstands-Kollektiv" bemalt Straße mit Zebrastreifen

Aber statt ihre Sünden zu bereuen und sich der Weisheit der zuständigen Verwaltung zu beugen, haben sich die Mitglieder des selbsternannten "Widerstands-Kollektivs" ein paar Nächte später wieder auf den Weg gemacht und neue Streifen auf den Weg gepinselt.

Tempo-30-Zone und eine Fahrbahnverengung vor Grundschule

Eigentlich ist an der umstrittenen Straße alles da, was die Straßenverkehrsordnung hergibt: Tempo-30-Zone und eine Fahrbahnverengung, aber eben auch Kinder, die sicher über die Straße wollen. Nur, ein offizieller Zebrastreifen? "Nicht vorgesehen in einer 30-Zone", sagt das Bezirksamt. "Unverzichtbar", sagen die Eltern. Und irgendwo zwischen diesen beiden Polen liegt die Wahrheit - vermutlich quer zur Fahrtrichtung.

Ist das der Anfang vom Ende von Recht und Ordnung?

Das Ganze wäre eine lustige Geschichte, wenn es nicht so ernst wäre. Denn hinter dem Do-it-yourself-Zebrastreifen steckt echte Sorge: vor Verkehrslärm, Abgasen, Gefahr. Und Frust darüber, dass hier die Regeln der Straßenverkehrsordnung über einer Möglichkeit stehen, mehr Sicherheit für Kinder zu gewährleisten. Aber ist es okay, einfach selbst loszupinseln? Oder ist das der Anfang vom Ende von Recht und Ordnung? Schwierige Frage. Aber vielleicht hilft ein Perspektivwechsel: Wofür sind Regeln eigentlich da? Fürs Funktionieren oder fürs Leben?

Illegaler Zebrastreifen kann teuer werden

Heiko von Kiedowski © Kirche im NDR Foto: Guido Kollmeier
"Nächstenliebe ist auch im Straßenverkehr ein guter Maßstab", sagt Heiko von Kiedrowski.

In der Bibel sagt Jesus sinngemäß: "Das Gesetz ist für den Menschen da, nicht der Mensch für das Gesetz." Will heißen: Regeln sollen schützen, nicht schaden. Und manchmal muss man sie anpassen, wenn sie das Ziel verfehlen. Und dass der Fahrbahnguerilla jetzt mit Strafe für einen "gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr" gedroht wird, ist endgültig jenseits von allem, was ich nachvollziehen kann.

Der Zebrastreifen von Hoheluft verstößt vielleicht gegen die Vorschriften, aber er ist aus Fürsorge entstanden. Und Nächstenliebe war schon immer ein guter Maßstab. Auch im Straßenverkehr.

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