Vatikan-Zeitschrift: Frauen-Redaktion tritt zurück
Lucetta Scaraffia ist eine faszinierende Frau. Sie gilt als streitbare Feministin und stand dennoch sieben Jahre lang an der Spitze des ersten Frauenmagazins des Vatikans - bis zu ihrem Rücktritt Ende März. In einem Brief an Papst Franziskus schreibt sie: Sie würden das Handtuch werfen, "weil wir uns von einem Klima des Misstrauens und der Entmachtung umgeben fühlen". Mit ihr gingen zehn Redakteurinnen. Die gesamte Redaktion.
Vatikan-Zeitschrift: Frauen-Redaktion tritt zurück
Die Journalistinnen der "Donne Chiesa Mondo" haben mit einem Artikel über missbrauchte Nonnen für viel Aufsehen gesorgt. Der Papst kündigte vielversprechende Maßnahmen an - doch es kam anders.
Artikel über Missbrauch an Nonnen schlägt Wellen
Die Journalistinnen hatten sich oft mit dem Klerus angelegt. Sie beschrieben in "Donne Chiesa Mondo" (Frauen - Kirche - Welt) nicht nur die Welt der Frauen, sondern auch deren Probleme. Und das in einer Deutlichkeit, die für ein Kirchenmagazin einzigartig ist. Im vergangenen Frühjahr zeigten sie etwa in einem weltweit beachteten Text, wie Nonnen in den Haushalten von Würdenträgern ausgebeutet werden. Diesen Februar beschrieb Scaraffia in einem vier Seiten langen Artikel, wie Frauen, unter ihnen viele Nonnen, in der Katholischen Kirche von Männern bedrängt, belästigt, missbraucht werden - und klagte an: "Wenn die Kirche weiter die Augen vor dem Skandal verschließt", werde sich "an der Unterdrückung von Frauen in der Kirche niemals etwas ändern."
Papst reagierte öffentlich, versprach Veränderung
Der Artikel sorgte wieder für einen derartigen Pressewirbel, dass der Papst selbst ein paar Tage nach der Veröffentlichung reagierte. Im Flugzeug sagte er zu den anwesenden Journalisten, dass es stimme, dass es "Priester und auch Bischöfe" gegeben habe, "die das gemacht haben". Und wohl auch immer noch machten. "Und muss man etwas dagegen tun? Ja! Haben wir den Willen dazu? Ja! Aber es ist ein schwieriger Weg." Nach außen wirkte die Kirche in diesem Moment so offen und kritikfähig, wie sie sich viele wünschen. Doch intern stieg der Druck auf Scaraffia und ihre Truppe.
Neuer Chefredakteur habe sich eingemischt
Scaraffia hatte "Donne Chiesa Mondo" 2012 noch unter Papst Benedikt gegründet. Das Magazin liegt seitdem monatlich der offiziellen Vatikanzeitung bei, dem "L’Osservatore Romano". Mit dem alten Chefredakteur verband sie ein freundschaftliches Verhältnis. Er ließ ihr alle Freiheiten, heißt es aus dem Umfeld. Das änderte sich mit dem neuen Chefredakteur Andrea Monda, der seit Januar im Amt ist. Er kam zu ihren Redaktionskonferenzen, wollte, so Scaraffia, bei Themen und Autorinnen und Autoren mitreden - und sorgte so offenbar für Unruhe und das Gefühl der Kontrolle.
Vorwurf: "Lebendige Initiative soll zum Schweigen gebracht werden"
Scaraffia schreibt in ihrem Abschiedsbrief, dass ihre "lebendige Initiative zum Schweigen" gebracht werden solle. Sie hätten den Eindruck, man wolle zu "antiquierten Ritualen" zurückkehren. Zu Zeiten, da "gehorsame Frauen" unter "männlicher Kontrolle" stünden. Der Chefredakteur des "L’Osservatore" will mit ZAPP über diese Vorwürfe nicht reden. In einem Kommentar am vergangenen Mittwoch schreibt er: Er gäbe dem Frauenmagazin "die gleiche Autonomie und die gleiche Freiheit", die es immer hatte.
Scaraffia stellte Arbeit ein, um "Würde zu wahren"
Am Montag ist das letzte Heft erschienen. Scaraffia schreibt darin, dass sie die Arbeit einstellen müssten, "um unsere Würde zu wahren". Ob es diese Zeitung weiterhin geben wird? Zunächst einmal braucht Monda jedenfalls eine neue Redaktion. Dass er wieder so streitbare Geister holen wird, halten die meisten Beobachter für unwahrscheinlich.
