Corona-Virus: Bürger-Journalisten vs. Staatsmedien

Zwei chinesische Bürger-Journalisten sind spurlos verschwunden, nachdem sie aus der Krisenregion Wuhan über das Corona-Virus und die Zustände in den Krankenhäusern berichtet hatten. "Ich habe Angst", sagt Chen Qiushi in einem seiner letzten Videos. "Vor mir ist die Krankheit, hinter mir ist die Macht von Chinas Justiz und Verwaltung." Freunde erzählen, die Polizei habe ihn abgeholt und in Quarantäne gebracht, obwohl er keinerlei Krankheitszeichen zeigte. Sein Handy ist jetzt abgestellt.
Bürgerjournalisten zeigen überfüllte Krankenhäuser
Chen ist eines der bekanntesten Gesichter einer kleinen Gruppe, die das strikte Informationsmonopol der Kommunistischen Partei Chinas herausfordern. Auch Fang Bin gehört dazu. Er ist von Haus kein Journalist und auf eigene Faust nach Wuhan gereist. Seine Videos zeigen überfüllte Warteräume in Krankenhäusern, todkranke Patienten auf Fluren. In den voll belegten Behandlungszimmern sind sterbende Kranke zu sehen. Vor einem Krankenhaus filmte er Leichensäcke in einem Bestattungswagen. Auch von Fang gibt es seit über einer Woche kein Lebenszeichen. Auch er sendet nicht mehr.
Die China-Korrespondentin der ARD, Tamara Anthony, hatte mit Fang noch Kontakt, bevor er verschwand: "Jetzt ist sein Handy einfach ausgestellt und Freunde sagen, dass er von der Polizei abgeholt wurde. Die Mutter hat ein Video veröffentlicht, um zu zeigen: Wir suchen nach ihm. Aber man weiß nicht genau, wo er ist."
Staatsfernsehen sendet beruhigende Bilder

Vollkommen überfüllte Wartezimmer, Tote neben Patienten im Warteraum - das sind Bilder, die die chinesische Staatsführung nicht zulässt. Das Staatsfernsehen zeigt dagegen: Viele Ärzte, die sich um wenig Patienten kümmern, winkende Krankenschwestern und lachende Patienten. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat einen "Volkskrieg" gegen die Krankheit ausgerufen. Und in diesem Krieg können selbsternannte Bürgerjournalisten, die über das berichten, was die Staatsmedien verschweigen, schnell zum Risiko werden. Im Internet wird inzwischen offen Meinungsfreiheit gefordert. Meist nur bis zum nächsten Morgen, bis die Zensurbehörde die Posts löscht.
Forderung nach Redefreiheit wird gelöscht

In der Nacht, als der Arzt Li Wengliang starb, kam die Zensurbehörde kaum hinterher, all die Kritik an der Hinhaltetaktik der Propagandapresse zu löschen. Der Arzt, der als Erster vor dem neuen Virus gewarnt hatte und dann von der Polizei ruhiggestellt wurde, starb schließlich selbst am Corona-Virus. Die sozialen Medien explodierten danach förmlich. Sein Tod war mit mehr als 350 Millionen Klicks chinesischer Internetnutzer das wichtigste Thema. Viele änderten ihr Profilfoto, posteten sein Bild, häufig mit einem Stacheldraht als Mundschutz. Kurzzeitig trendete auf Weibo, einem chinesischen Social-Media-Netzwerk, sogar der Hashtag "Wir wollen Redefreiheit"“.
Einzigartige Welle von Kritik im Netz
Doch die chinesischen Behörden griffen schnell durch, löschten den Hashtag und alle unter ihm veröffentlichten Posts. "Wenn ich mit Experten spreche", erzählt die China-Korrespondentin Tamara Anthony, "mit kritischen Universitätsprofessoren, dann sagen die, sie hätten so viele kritischen Stimmen in den letzten zwanzig Jahren nicht erlebt." Dieser offen geäußerte Unmut, dieses Maß an Kritik im Netz, sei ein einzigartiges Phänomen. Aber dass diese Welle von Social-Media-Posts die Allmacht der Kommunistischen Partei in China ins Wanken bringt, das glauben im Moment noch nicht mal die größten Optimisten.
Hinweis der Redaktion: In der Abmoderation zum Beitrag wird von drei "Wall Street Journal"-Korrespondenten berichtet, denen wegen kritischer Berichterstattung das Arbeitsvisum entzogen wurde und die China sofort verlassen müssen - ein Vorgang, den es so seit 20 Jahren nicht gegeben hat. Hinzugefügt werden muss aber: Seit 2013 hat es insgesamt 9 De-facto-Ausweisungen gegeben, indem Journalisten eine Verlängerung ihres Arbeitsvisums verweigert wurde. Die Angaben stützen sich auf die Informationen des Foreign Correspondents' Club of China.
