Corona-Berichterstattung: Männer erklären die Welt
Das Problem ist in vielen Redaktionen bekannt und doch ändert sich wenig: Frauen werden in der Berichterstattung deutlich seltener als Expertinnen befragt als Männer. Auch zur Corona-Krise wurden bisher vor allem männliche Experten befragt, selbst in Positionen, in denen Frauen genauso präsent sind.

Eine Studie des Instituts für Medienforschung der Universität Rostock hat im Auftrag der MaLisa Stiftung die Corona-Berichterstattung unter dem Aspekt der Ausgewogenheit der Geschlechter beleuchtet. Die MaLisa Stiftung widmet sich Themen der Geschlechtergerechtigkeit. Gründerinnen sind die Ärztin und Schauspielerin Maria Furtwängler und ihre Schwester Elisabeth Furtwängler.
Auf eine Expertin kommen vier Experten
Die Kommunikationsforscherinnen der Universität Rostock um Prof. Elizabeth Prommer und Julia Stüwe haben insgesamt 174 TV-Informationssendungen mit Corona-Bezug ausgewertet, die zwischen dem 16. und 30. April 2020 ab 18 Uhr in ARD, ZDF, RTL und Sat.1 ausgestrahlt wurden. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass in der Corona-Berichterstattung auf eine Expertin vier männliche Experten kamen. Am seltensten war die Expertise von Frauen in Nachrichten und Sondersendungen gefragt (20 Prozent). Etwas häufiger kamen Expertinnen in Talksendungen zu Wort (28 Prozent).
Meist männliche Vorsitzende

Eine Erklärung für das Ungleichgewicht ist, dass viele der häufig befragten Institutionen männliche Vorsitzende haben, etwa das Robert-Koch-Institut, die Virologie der Berliner Charité oder das Paul-Ehrlich-Institut. Allerdings spiegelt die mediale Präsenz auch in Positionen mit ausgeglichenerem Geschlechterverhältnis nicht die Realität wieder:
In Deutschland ist etwa die Hälfte 47 aller ÄrztInnen ohne Leitungsfunktion weiblich, trotzdem kamen in dieser Kategorie nur 20 Prozent Frauen zu Wort. Im Bereich der Virologie, Infektionsepidemiologie und Mikrobiologie ist der Frauenanteil ähnlich hoch (45 Prozent). Trotzdem ist der Anteil der befragten Virologinnen ohne Leitungsfunktion nur bei 27 Prozent, bei der Infektionsforschung sogar nur bei sechs Prozent.
Die Studien-Autorin Prof. Elizabeth Prommer meint daher: "Eines der wichtigsten Ergebnisse unserer Studie ist, dass Frauen nicht gefragt werden. Und zwar auch dann nicht, wenn es sie gäbe." Selbst zu den Themenbereichen Pflege und Medizin, in denen überwiegend Frauen tätig sind, wurden sie nur zu 17 Prozent befragt und kamen damit besonders selten als Expertinnen zu Wort. Am häufigsten wurden Frauen als Expertinnen für die Bereiche Bildung (45 Prozent) und Soziales (31 Prozent) herangezogen.
In bestimmten Formaten wird die Repräsentation von Frauen eher der Realität gerecht: In Magazin-Sendungen, Reportagen und Dokumentationen waren Frauen mit 41 Prozent als Hauptakteurin vertreten.
Auch im Print weniger Frauen als Expertinnen
Daneben hat der Daten-Forscher und Urheber des "Gender Equality Tracker", Max Berggren, für denselben Zeitraum insgesamt 79.807 Artikel mit Corona-Bezug in den Online-Ausgaben von 13 Printmedien analysiert. Er kam zu ähnlichen Ergebnissen: Als Expertin wurden Frauen nur zu rund sieben Prozent erwähnt. Als Forscherin kamen sie zu rund fünf Prozent vor. Als Virologin wurden sie zu vier Prozent genannt.
