Unsere Geschichte - Als Bhagwan in den Norden kam

Mittwoch, 11. Mai 2022, 21:00 bis 21:45 Uhr
Donnerstag, 12. Mai 2022, 06:35 bis 07:20 Uhr

Für die einen war Bhagwan ein Heiliger und ein Sinnstifter, für die anderen war der indische Guru nur ein Bürgerschreck und Scharlatan. Doch viele Tausend Norddeutsche folgten dem Prediger. Ende der 1970er-Jahre machten sich vorwiegend junge und von der bürgerlichen Gesellschaft frustrierte Menschen auf den Weg ins indische Poona und kamen in roten Gewändern als seine treuen Jünger*innen zurück. Von ihnen, den sogenannten Sannyasins, und ihren Lebenswegen handelt diese NDR Dokumentation.

"Ich wollte gar keine Sannyasin werden"

Bhagwan nimmt Lisa Lottig in die Gemeinschaft der Sannyasins auf. © NDR/PIER 53
Bhagwan nimmt Lisa Lottig in die Gemeinschaft der Sannyasins auf.

Die Lehrerin Lisa Lottig selbst - und auch ihre Freunde - hätten nie für möglich gehalten, dass sie mal einem Guru aus Indien folgen würde. Doch als vor rund 40 Jahren die Sommerferien vor der Tür standen, hatte sie niemanden, mit dem sie verreisen konnte. Der Tipp eines Freundes verschlug sie nach Poona. Und da hörte sie mit Hunderten anderer Menschen den Mann sprechen, der ihr Leben verändern würde: Bhagwan Shree Rajneesh, ein charismatischer Philosophieprofessor mit langem Bart und einnehmender Stimme: "Ich wollte gar keine Sannyasin werden. Aber Bhagwan sagte, tu' es und du wirst sehen, was passiert. Und dann ist so viel passiert in meinem Leben!"

Hunderttausende folgen Bhagwans Lebenscredo

Lebe im Hier und Jetzt, sagte der Meister. Meditiere und hoffe auf kein Paradies nach dem Tod. Sei achtsam mit dir. Diesem Credo folgten außer Lisa Lottig damals Hundertausende aus der ganzen Welt. Der Großteil von Bhagwans Jünger*innen kam aus Deutschland. Und dass Bhagwan die freie Liebe unter den Sannyasins predigte, machte ihn als "Sex-Guru" zum Ziel der deutschen Massenmedien: "Aber man möchte leben dürfen, dass man verschiedene Menschen liebt und von denen geliebt wird", meint Jagran, der noch heute zusammen mit etwa 70 anderen Sannyasins in einem Dorf bei Göttingen lebt.

Während der Dreharbeiten zu diesem Film stellte sich durch einen Zufall heraus, dass es damals sogar in der DDR eine kleine Gruppe Sannyasins gab, die Bhagwans Lehren folgte und nicht der SED. Swami Alnua Kalyan, mit bürgerlichem Namen Dietrich Raschke, betrieb damals auf Rügen sogar ein Meditationszentrum: "In unseren Stasi-Akten lasen wir Jahre später lustige Spitzelberichte. Die Staatssicherheit wusste nichts mit uns anzufangen und schien überfordert mit Bhagwans Lehren. Also ließen sie uns in Ruhe."

In seiner NDR Dokumentation erzählt Carsten Rau von den Menschen, die Bhagwan folgten und dafür von ihrer bürgerlichen Nachbarschaft beschimpft wurden. Doch das, was viele damals verschreckte, nennt man heute Achtsamkeit und wird inzwischen auf Seminaren gelehrt, auch in Großkonzernen. Von ehemaligen Sannyasins. Ein spannender und hoch unterhaltsamer Blick zurück auf die Tage, als Bhagwan in den Norden kam.

Autor/in
Carsten Rau
Schnitt
Stephan Haase
Kamera
Boris Mahlau
Andrzej Król
Hans Tanz
Ton
Torsten Reimers
Augusto Castellano
Bildtechnik
Oliver Stammel
Redaktionelle Mitarbeit
Andrea Pittlick
Sprecher/in
Stephan Schad
Redaktion
Christoph Mestmacher
Produktionsleiter/in
Tim Carlberg