Unsere Geschichte

Meine Kindheit in Mecklenburg-Vorpommern

Samstag, 24. September 2022, 12:00 bis 12:45 Uhr

Eine endlose Ostseeküste, Wälder, sanfte Hügel und ganz viel frische Luft: Wer sich an seine Kindheit in Mecklenburg-Vorpommern erinnert, hat die paradiesische Naturschönheit der Region kennengelernt. Das gilt auch für die Zeit, als die Gegend noch zur DDR gehörte und in die drei Bezirke Schwerin, Rostock und Neubrandenburg aufgeteilt war. So unbeschwert die Kindheit in den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren war, so sehr drängte sich immer wieder der Staat in den Vordergrund: Alles musste organisiert und reglementiert werden, auch das Leben der Kinder. Die einen waren begeistert, die anderen machten eher widerwillig mit.

Pioniere und Freizeit-Indianer auf Poel

Doch Kinder lassen sich nicht einsperren. Sie finden ihre Wege. Wie zum Beispiel Frank Ewert, der in den 1970er-Jahren auf der Insel Poel aufgewachsen ist. Draußen unterwegs zu sein, den Kopf im Seewind, das war für ihn und seinen Zwillingsbruder das Größte. Mit den Fahrrädern erkundeten sie die 36 Quadratkilometer große Insel im Nordwesten der DDR, heckten allerlei Streiche aus, zelteten auf Kuhweiden und gingen im Sommer ins Kino: "Winnetou" hieß ihr Held, so wollten sie auch sein. Die Nachmittage waren mit Veranstaltungen der Pioniere oder der FDJ belegt, was die Freizeit-Indianer eher lästig fanden. Nur einmal bekamen sie richtig Ärger. Im Unterrichtsfach Produktive Arbeit zerschnitten sie wahllos Gummischläuche. Schaden: 500 Mark. Da mussten die Jungen losziehen, um Altstoffe zu sammeln.

Friedensgedichte gegen die Wolke aus Tschernobyl

Ganz anders Simone Hilbrecht aus Bützow. Sie lebte gern in der DDR, fand das Leben der Jungen Pioniere großartig. Auf die Probe gestellt wurde ihre Begeisterung 1986, als im weißrussischen Tschernobyl ein Reaktor explodierte. Inspiriert von der schönen Natur ihrer Umgebung und in der Überzeugung, Polizei und Armee würden die radioaktive Wolke von ihrer Heimat fernhalten, schrieb sie ein Friedensgedicht und wurde dafür ausgezeichnet.

Die Geschichte eines DDR-Heimkindes

Peter Wawerzinek ist Schriftsteller. Er wuchs in Kinderheimen an der Ostsee auf. Seinen alten Schulranzen samt Heften hebt er als Erinnerung an die Kindheit auf. © NDR/AP Populärfilm/Matthias Schümann
Schriftsteller Peter Wawerzinek wuchs in Kinderheimen an der Ostsee auf. Seinen alten Schulranzen samt Heften hebt er als Erinnerung auf.

Ein solches Leben in Harmonie war Peter Wawerzinek nicht vergönnt. Als er zwei Jahre alt war, ließ seine Mutter ihn und seine kleine Schwester allein in der Rostocker Wohnung zurück und ging in den Westen. Tage später wurden die beiden Kinder befreit. Peter wuchs in Heimen an der Ostseeküste auf. Nach mehreren Adoptionsversuchen kam er zu einem Lehrerpaar. Seine neue Mutter hatte es sich in den Kopf gesetzt, anhand eines Benimmbuches aus dem Heimkind einen Musterknaben zu machen. Dabei war Peter viel lieber mit seinen Kumpels aus dem Heim am Strand unterwegs, wo sie eines Tages tatsächlich eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg fanden.

Sehnsucht nach der Heimat

Kindheit im Norden der DDR, das kann auch verlorene oder neu gewonnene Heimat bedeuten. Hinnerk Schönemann zum Beispiel verbrachte seine Kindheitssommer in der Nähe von Plau am See, bis seine Eltern aus der DDR ausreisten. Als Teenager kam er wieder zurück, er hatte Angst, seine Heimat zu verlieren. Denn allein in die DDR reisen durfte er nur, bis er 16 Jahre alt war.

Kindheit auf einer winzigen Insel

Den umgekehrten Weg ging Matthias Schilling. Seine Familie lebte in Schleswig-Holstein. Eine winzige Insel im Besitz seiner Familie allerdings liegt zwischen Rügen und Hiddensee. Dorthin fuhr die Familie regelmäßig. Für Matthias Schilling war das immer unheimlich, denn sein Vater schmuggelte jedes Mal Dinge, die es in der DDR nicht gab, im Auto über die Grenze.

Hinnerk Schönemann verbringt als Kind viel Zeit in der Nähe von Plau am See. Einmal flieht er mit dem Moped vor der Polizei - weil er noch viel zu jung ist zum Moped fahren. © NDR/AP Populärfilm/Matthias Schümann
Hinnerk Schönemann verbringt als Kind viel Zeit in der Nähe von Plau am See.

Wer Mecklenburg und Vorpommern einmal in sein Herz geschlossen hat, kehrt immer wieder dorthin zurück. Heute lebt Matthias Schilling auf seiner Familieninsel. Auch Hinnerk Schönemann, er ist Schauspieler geworden, hat sein Zuhause in Mecklenburg, am Ort seiner Kindheit. Peter Wawerzinek bereist als Schriftsteller in seinen Büchern immer wieder seine Kindheitslandschaft zwischen Rostock und Rerik.

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Produktionsleiter/in
Stephan Helms
Redaktion
Birgit Müller
Autor/in
Udo Tanske
Matthias Schümann

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DDR