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Kapitän Schröder und die Irrfahrt der "St. Louis" - Erinnerungen an ein Drama auf See

Mittwoch, 25. Januar 2023, 21:10 bis 21:55 Uhr
Donnerstag, 26. Januar 2023, 06:35 bis 07:20 Uhr

Im Mai 1939 versuchen gut 900 jüdische Mitbürger Deutschland von Hamburg aus zu verlassen. Sie haben ein Schiff gechartert: den Hapag-Dampfer "St. Louis". Ihr Ziel: Havanna auf Kuba. Dort wollen sie abwarten, bis sie ein Visum für die USA bekommen. Für die Passagiere ist es die letzte Gelegenheit, dem Terror der Nationalsozialisten zu entkommen.

Kuba und USA verweigern den Flüchtlingen Einreise

Das Schiff St. Louis ankert 1939 vor Havanna. © NDR
Die "St. Louis" erreicht zwar Havanna, die Flüchtlinge dürfen aber nicht nach Kuba einreisen.

Doch die Flüchtlinge kommen niemals ans Ziel: Die kubanischen Behörden, später auch die USA, verweigern ihnen die Einreise. In dieser Situation kommt alles auf den Kapitän an: Gustav Schröder, ein Hamburger mit dänischen Wurzeln. Nach einer mehr als einmonatigen Seereise bringt er die Flüchtlinge zurück nach Europa. Dort lässt sie die belgische Regierung in Antwerpen an Land gehen.

Die Schutzsuchenden sind zunächst in Sicherheit vor dem Zugriff der Nationalsozialisten und werden von Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien aufgenommen. Doch mit Ausnahme Großbritanniens sind diese Länder bereits ab 1940 durch die Wehrmacht besetzt. Die Geflüchteten geraten somit erneut in das Herrschaftsgebiet der Nationalsozialisten, rund 250 von ihnen werden ermordet.

Jahrzehnte später aufgetaucht: Die Erinnerungen des Kapitäns

Ein Mann hält ein Foto Gustav Schröders in den Händen. © NDR
Auf dem Dachboden seines Hauses in Hamburg hat Gustav Schröder Erinnerungen aufbewahrt.

76 Jahre nach der Irrfahrt der "St. Louis", die bereits in Büchern, Dokumentationen und in einem Spielfilm erzählt wurde, ist auf einem Hamburger Dachboden eine alte Seekiste aufgetaucht. Ihr Inhalt: Fotos, Briefe und das Originalmanuskript der Lebenserinnerungen von Gustav Schröder. Die Dokumente zeigen den Kapitän in einem neuen Licht, erlauben eine genaue Rekonstruktion der Ereignisse. In einer Collage aus Logbuch-Eintragungen, Tagebuch-Notizen und Erinnerungen von Überlebenden zeichnet der Film die abenteuerliche Reise nach.

Überlebende erinnern sich

Das Hapag-Schiff "St. Louis". © NDR/doclights/Hapag-Lloyd AG
Fast einen Monat war das Hapag-Schiff "St. Louis" von Hamburg aus unterwegs - und legte schließlich wieder in Europa an.

Von den über 900 Passagieren leben heute noch ein gutes Dutzend - überall auf der Welt verstreut. Auf der Fahrt waren sie zwischen sieben und 16 Jahre alt - heute sind sie hochbetagt. Für die Kinder war die Seereise in erster Linie ein Abenteuer, für ihre Eltern ein Drama. Herbert Karliner, der als Rentner in Miami-Beach lebt, erinnert sich noch genau an den Moment der Abfahrt: Eine Kapelle spielte "Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus". Während die Eltern weinend von ihrer Heimat Deutschland Abschied nahmen, spielten die Kinder an Deck Verstecken.

Noch heute hadert der alte Mann mit der Entscheidung der damaligen US-Regierung, die Flüchtlinge abzuweisen. Aufgrund dieses Beschlusses musste die "St. Louis", anders als von Kapitän Schröder geplant, nach Europa zurückkehren. Dort wurden seine Eltern ermordet.

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