Rostocker "Hells Angels": Hakenkreuz und Kutte

Stand: 06.12.2022 18:00 Uhr

Im örtlichen Charter des Rocker-Clubs "Hells Angels" in Rostock mischen nach Recherchen von Panorama 3 maßgeblich mutmaßliche Neonazis mit. Führende Rostocker Rocker haben nicht nur eine offenkundige Vergangenheit in der rechten Szene, sondern verbreiten auch heute noch rechtsextremes Gedankengut.

Als in Dortmund im Januar der bekannte Neonazi Siegfried Borchardt, genannt "SS-Siggi", beerdigt wurde, war der Rostocker Hells Angel Mirko Appelt mit dabei. Appelt präsentiert sich im Internet als Präsident der Rostocker Höllenengel und postet Weihnachtsgrüße mit Hakenkreuz und rassistische Texttafeln. Nach Recherchen von Panorama 3 wurde Borchardts Leichnam sogar in Rostock eingeäschert, ehe er in Dortmund beigesetzt wurde. Die Rechtsextremisten hatten offenbar Probleme, im Ruhrgebiet ein Bestattungsinstitut für ihr bekanntes Aushängeschild zu finden.

Rostock befürchtet, zum "Wallfahrtsort" zu werden

Die Stadt Rostock bestätigt auf Anfrage von Panorama 3 die Einäscherung Borchardts und will nun prüfen, ob das städtische Krematorium mit der Bestattungsfirma weiter zusammenarbeitet. Laut eines Sprechers erfuhr die Stadt erst durch die Recherchen von Panorama 3 von diesem Vorgang und fürchtet nun "zum Wallfahrtsort" für Rechtsextreme zu werden.

VIDEO: Rostocker "Hells Angels" haben Verbindung zu Neonazi-Szene (3 Min)

Rostocker Rocker der Polizei bekannt

Neben Mirko Appelt, der aus der Neonazi-Szene in Sachsen-Anhalt stammt, stehen auch noch andere Mitglieder der Rostocker "Hells Angels" der rechtsextremen Szene nahe. "Insbesondere die Vergangenheit einiger Führungspersonen der Rostocker "Hells Angels" in die rechte Szene sind der Landespolizei bekannt", heißt es vom Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns auf Anfrage von Panorama 3.

Schießtraining mit Rechtsextremisten

Fotos, die Panorama 3 vorliegen, zeigen Rostocker Rocker auf Schießständen. Das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern bestätigt darüber hinaus dem NDR, dass Rostocker "Hells Angels" im Juli 2020 gemeinsam mit einem bundesweit bekannten Rechtsextremisten aus Nordrhein-Westfalen an einem Schießtraining teilnahmen.

"Hells Angels" nicht im Verfassungsschutzbericht

Eine besondere Gefährdungslage entstehe durch eine Verbindung von Rechtsextremen und kriminellen Rockern "nicht per se", so das Innenministerium. Denn beide Szenen seien für sich genommen "bereits grundsätzlich gefährlich und verfügen oftmals über eigene Zugänge zu illegalen Waffen und einem gewaltbereiten Personenpotenzial". In den Verfassungsschutzberichten des Landes Mecklenburg-Vorpommern tauchen die "Hells Angels" aber dennoch nicht auf. Denn das Schweriner Innenministerium stuft die Rostocker "Hells Angels" bislang nicht als verfassungsfeindlich ein. "Da es sich bei den 'Hells Angels' als Organisation nicht um eine extremistische Bestrebung handelt, trotz möglicher personeller Überschneidungen von Einzelpersonen in den Rechtsextremismus, werden diese nicht erwähnt", so das Innenministerium gegenüber dem NDR.

Kritik von Grünen-Politikerin

Die Innenpolitikerin Constanze Oehlrich (Grüne) findet das falsch. "Die Polizei neigt dazu, die beiden Szenen getrennt zu behandeln, in getrennten Abteilungen: Rockerszene als Organisierte Kriminalität, rechte Szene beim Staatsschutz", kritisiert Oehlrich. Dort müsse "eine bessere Zusammenarbeit stattfinden", fordert die Politikerin, etwa durch gemeinsame Arbeitsgruppen, in denen Straftaten beider Szenen gemeinsam bearbeitet würden.

Experte: "Verbindung brandgefährlich"

Bundesweit fallen Mitglieder immer wieder in Strafverfahren zur Organisierten Kriminalität auf. "Die 'Hells Angels'", schreibt das Schweriner Innenministerium, "verfügen nicht nur über Kontakte in die Organisierte Kriminalität, sondern sind in Teilen selbst der Organisierten Kriminalität zuzurechnen." Für den Rechtsextremismus-Forscher Robert Claus ist die Verbindung von Rockern und Neonazis brandgefährlich, "weil aus diesem Milieu jederzeit Gewalttaten kommen können."

Reporter von Panorama 3 haben wiederholt versucht, mit den Rostocker "Hells Angels" ins Gespräch zu kommen. Auf Anfragen reagierten die Rocker jedoch nicht.

Bei Panorama 3 läuft um 21.15 Uhr ein Beitrag zum Thema.

Weitere Informationen
Eine auf "Grün" geschaltete Ampel in der Dunkelheit und ein Laptop © NDR

Panorama 3

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 06.12.2022 | 18:00 Uhr

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Rechtsextremismus